Leitsatz
Beruft sich der Steuerpflichtige auf die Existenz eines Feststellungsbescheids und sind die Feststellungsakten wegen Aussonderung nach Ablauf der Aufbewahrungszeit nicht mehr vorhanden, trägt er insoweit jedenfalls dann die objektive Beweislast (Feststellungslast), wenn er sich zu Beginn des Rechtsbehelfsverfahrens nicht von der Existenz des Feststellungsbescheids überzeugt und insoweit keine Beweisvorsorge getroffen hat.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 , AO 1977 § 182 Abs. 1 Satz 1
Sachverhalt
Der Kläger erwarb 1980 (Streitjahr) im Rahmen eines Bauherrenmodells ein 1983 bezugsfertig gewordenes Wohnhaus, das er in der Folge vermietete. Mit der Einkommensteuererklärung machte er für das Objekt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 57 522 DM geltend.
Entsprechend einer Mitteilung des FA M I über die Anteile an den "voraussichtlichen Einkünften" (der Bauherrengemeinschaft) "für Zwecke der Vorauszahlungen 1980" berücksichtigte das FA in dem Einkommensteuerbescheid vom Juni 1982 zunächst nur einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 37 215 DM. Entsprechend einer weiteren Mitteilung des FA M I vom Mai 1982, wonach der Verlust laut Erklärung der Gemeinschaft für 1980 57 521 DM betrage und dem FA "nach Veranlagung" eine Mitteilung zugehen werde, berücksichtigte das FA in dem geänderten und weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheid vom Juli 1982 einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 57 522 DM. Nach einer Außenprüfung setzte das FA mit Bescheid vom Juni 1986 die Steuer "hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Bauherrengemeinschaft W" vorläufig fest.
Auf eine Anfrage nach Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer und Vermögensteuer 1982 teilte das FA M I dem FA im März 1985 den von der Gemeinschaft für 1982 erklärten Werbungskostenüberschuss mit. Auf der Mitteilung befindet sich der (handschriftliche) Zusatz: "Auf Grund des BFH-Urteils vom 27.4.1982 (BStBl 1982 II, S. 636) ist eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht mehr zulässig."
Das FA erließ am 25. Februar 1994 entsprechend den Ergebnissen einer Außenprüfung einen auf § 165 Abs. 2 AO 1977 gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 1980, mit dem es bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt nur noch einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 25 366 DM berücksichtigte.
Einspruch, Klage und Revision, mit der sich der Kläger auf die Existenz und die Bindungswirkung eines dem angefochtenen Bescheid entgegenstehenden Feststellungsbescheids, auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung sowie auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben berief, blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hält die Auffassung des FG für zutreffend, dass der angefochtene Bescheid nicht gegen die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids verstößt, dessen Feststellungen dem angefochtenen Bescheid gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 entgegenstehen.
Nachdem das FG für den BFH bindend den Erlass eines Feststellungsbescheids für die Bauherrengemeinschaft als nicht erwiesen erachtet habe und es insoweit von einer nicht behebbaren Ungewissheit ("non liquet") ausgegangen sei, habe es seine Entscheidung zu Recht davon abhängig gemacht, welchen der Beteiligten die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts treffe.
Danach habe im Streitfall der Kläger die Feststellungslast für den Erlass des behaupteten Feststellungsbescheids zu tragen. Denn er habe sich darauf berufen, dass die mit dem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen dem angefochtenen Bescheid gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 entgegenstehen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Feststellungsakten bei dem für die gesonderte und einheitliche Feststellung zuständigen FA nach Ablauf der Aufbewahrungszeit von 10 Jahren nicht mehr vorhanden gewesen seien, da sie offenbar ausgesondert wurden. Die Aussonderung von Akten nach Ablauf der Aufbewahrungszeit sei jedenfalls dann kein Umstand, der unter dem Gesichtspunkt der größeren "Beweisnähe" zu einer Ausnahme von der Beweislastgrundregel führen kann, wenn der Steuerpflichtige es anlässlich eines Rechtsbehelfsverfahrens unterlasse, die maßgebenden Bescheide auf Dauer aufzubewahren. Im Streitfall hätte sich der Kläger schon für das 1982 durchgeführte Einspruchsverfahren vergewissern können und müssen, ob für die Bauherrengemeinschaft ein Feststellungsbescheid ergangen war. Auch wäre es geboten gewesen, sich vom Empfangsbevollmächtigten ggf. – zur Beweisvorsorge – eine Kopie des Bescheids aushändigen zu lassen.
Die Entscheidung widmet sich darüber hinaus den Fragen, ob das FG verpflichtet war, das Verfahren auszusetzen und das Ergebnis eines Feststellungsverfahrens abzuwarten. Im Streitfall war der Ermessensspielraum des FA nach den besonderen Umständen des Falls derart eingeschränkt, dass eine nachträgliche gesonderte Feststellung der Einkünfte des Kläge...