Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von aus einem Zählkindvorteil stammenden Kindergeld; Änderung der Kindergeldfestsetzung aufgrund Haushaltswechsels der Kinder; kindergeldrechtliches Obhutsprinzip verfassungskonform; verfassungsrechtliches Gebot der Familienförderung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 66 Abs.1 EStG bewirkt durch seine aufgrund der Ordnungszahl gestaffelten und mit steigender Kinderzahl steigenden Kindergeldsätze eines besondere Förderung der Familie i.S. von Art.6 Abs.1 GG. Das älteste Kind des Kindergeldberechtigten erhält dabei die Ordnungsziffer 1, das jüngste Kind die höchste Ordnungsziffer.
2. Der Anspruch auf das durch einen Zählkindvorteil bedingte erhöhte Kindergeld für das dritte Kind eines Vaters (mit einem nichtehelichen und zwei ehelichen Kindern) geht verloren, wenn -aufgrund des Auszugs des Vaters aus der ehelichen Wohnung- nunmehr auch die beiden ehelichen Kinder (Ordnungsziffer 2 und 3) nicht mehr zum Haushalt des Vaters gehören. Hat der Vater diesen Sachverhalt der Familienkasse pflichtwidrig nicht angezeigt, ist die Familienkasse bei nachträglichem Bekanntwerden des Sachverhalts zu einer Rückforderung nach § 70 Abs.2 EStG berechtigt.
3. Ein Haushaltswechsel eines Kindes ist eine für den Kindergeldanspruch erhebliche Änderung der Verhältnisse i.S. von § 70 Abs.2 EStG.
4. Das Obhutsprinzip des § 64 Abs.2 EStG ist verfassungskonform (Abschluss an BFH-Rechtsprechung).
5. Aus dem Fördergebot des Art.6 Abs.1 GG lassen sich Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen für die Familie nicht herleiten. Insbesondere ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder z.B. Unterhaltsleistungen für Kinder in der vollen Höhe des bürgerlich-rechtlichen Unterhalts zu berücksichtigen (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 70 Abs. 2, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 1, 2 S. 1; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; EStG §§ 68, 63 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung von aus einem Zählkindvorteil resultierendem Kindergeld gegenüber dem Kläger (Kl) für den Zeitraum vom 1.10.1996 bis zum Dezember 1997.
Der Kl war mit seiner früheren Ehefrau … geborene … verheiratet und führte einen gemeinsamen Haushalt. Er lebte mit ihr bis zum 30.9.1996 zusammen mit seinen Kindern, der am 14.8.1984 geborenen Tochter … und der am 5. Dezember 1986 geborenen Tochter … in einem gemeinsamen Haushalt, ab 1.10.1996 zog er aus und ist seitdem ohne Kinder in der … gemeldet. Der Kl ist außerdem Vater des nichtehelichen Kindes … geboren 24.6.1983. Die Ehe des Kl und seiner Ehefrau wurde nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamtes … am 21.6.1997 geschieden. Die geschiedene Ehefrau lebt zusammen mit den zwei ehelichen Kindern in der …
Dem Kl wurde in der Zeit von Oktober 1996 bis Dezember 1996 Kindergeld für das Zählkind und die beiden ehelichen Kindern von je 500 DM pro Monat, insgesamt DM 1.500, sowie für 1997 für 12 Monate in Höhe von je 520 DM, insgesamt 6.240 DM ausgezahlt. Die Änderung der Verhältnisse wurde zunächst vom Kl oder dessen Ehefrau nicht angezeigt. Nachdem an den Kl gerichtete Post von der ehelichen Wohnung zurückkam, ermittelte das Arbeitsamt (AA) diesen Sachverhalt. Durch Schreiben vom 9.1.1998 begehrte der Kl die Beibehaltung des Zählkindvorteils. Das beklagte AA hob durch Bescheid vom 5.2.1998, auf den insgesamt Bezug genommen wird, die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kl zunächst in voller Höhe mit insgesamt DM 7.740 auf und forderte diesen Betrag zurück. Hiergegen richtete sich der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch, mit dem der Kl unter Beifügung einer Bescheinigung seiner geschiedenen Ehefrau vortrug, daß der Kl das Kindergeld an diese weitergeleitet habe und diese den Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum als erfüllt ansehe. Daraufhin setzte das beklagte AA den Bescheid über die Aufhebung und Änderung der Kindergeldfestzung dahingehend herab, daß nur noch der Zählkindvorteil in Höhe von 3 × 100 DM, also 300 DM für die Monate Oktober 1996 bis Dezember 1996 sowie von 12 × 80 DM somit 960 DM von Januar 1997 bis Dezember 1997, insgesamt somit DM 1.260, zurückgefordert wurden. Nachdem der Einspruch aufrechterhalten wurde, wurde er durch Einspruchsentscheidung vom 6.4.1998, auf die Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Darin geht das AA davon aus, daß die Änderung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG zu erfolgen habe. Die Verhältnisse hätten sich geändert und der Zählkindvorteil stehe dem Kl nicht mehr zu, da ihm aufgrund des Obhutsprinzips in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG kein Kindergeld mehr zu gewähren sei. Auf den weiteren Inhalt der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kl geltend macht, daß er den Zählkindervorteil in Anspruch habe nehmen können, solange er noch in der Ehe mit seiner damaligen Ehefrau lebte, die ebenfalls nur 2 Kinder in ihrer Obhut hatte und gleichwohl für das dritte Kind den Zählkindervorteil in Anspruch habe nehmen können. Der Kl werde dadurch gegenüber Personen, die auc...