Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeld während der Beurlaubung von der Hochschule wegen Kinderbetreuung. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

Eine kindergeldschädliche Unterbrechung des Studiums liegt vor, wenn sich eine Studierende nach Ablauf der Mutterschutzfrist für die Betreuung ihres Kindes für zwei Semester von der Universität beurlauben lässt. Unerheblich ist, ob die Studierende trotz Beurlaubung noch an Fachveranstaltungen teilnimmt und sich auf Prüfungen vorbereitet.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a, § 63 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen VIII R 89/01)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist für seine Adoptivtochter J. (geb. 3. Dezember 1975) kindergeldberechtigt. Die Tochter studiert seit Wintersemester 1995 an der Universität H. (Studienfach: Wirtschaftswissenschaften). Am 8. Juni 1999 wurde ihr Sohn S. geboren. Die Tochter des Klägers wurde daher auf ihren Antrag im Sommersemester 1999 und Wintersemester 1999/2000 von der Universität beurlaubt (vgl. Studienbescheinigungen Bl. 51 und 63 der Kindergeldakten); ab Sommersemester 2000 (1. April bis 30. September 2000) setzte sie ihr Studium fort (Bl. 76 a. a. O.).

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber dem Kläger gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab September 1999 auf, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht vorlägen, da die Tochter nach Ablauf der Mutterschutzfrist ihr Studium nicht fortgesetzt, sondern ein weiteres Urlaubssemester eingelegt habe (Bl. 65 a. a. O.). Mit dem Einspruch vom 17. Dezember 1999 (Bl. 70 a. a. O.) machte der Kläger geltend, die Einlegung von zwei Urlaubssemestern führe weder zur Unterbrechung noch zur Verlängerung des Studiums seiner Tochter. Die Universität H. gestatte, im Urlaubssemester fachübergreifende Prüfungen abzulegen. J. habe ihre Diplomarbeit in den Monaten Februar bis Mai 1999 angefertigt und Teil-Diplomprüfungen im September und Oktober 1999 (schriftlich) sowie im November und Dezember 1999 (mündlich) bestanden. Ab April 2000 werde sie die letzten schriftlichen und mündlichen Prüfungen ablegen. Die Urlaubssemester seien daher keine Unterbrechung des Studiums, sondern stellten lediglich eine „Schönheitskorrektur” der Fachsemesterzahl dar. Da die Tochter ihre Vorlesungen schon vor Beginn des ersten Urlaubssemesters vollständig besucht habe, habe die Beurlaubung keinerlei Auswirkung auf die Struktur oder Dauer des Studiums.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 18. Januar 2000 als unbegründet zurück.

Mit der Klage wiederholt der Kläger im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er trägt noch vor, seine Tochter habe seit etwa Ende Juli 1999 ihr Studium in der Weise fortgesetzt, dass es ihre überwiegende Zeit und Arbeitskraft in Anspruch genommen habe. Die abgelegten Diplomprüfungen hätten eine intensive und lange Vorbereitungszeit erfordert. Es seien reine Lernzeiten von täglich bis zu acht Stunden erforderlich gewesen. Auch habe J. an verschiedenen Tutorien teilgenommen (vgl. zu allem Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 31. März 2000, S. 3 ff.). Die formelle Beurlaubung an der Universität sei wahrgenommen worden, weil die Urlaubssemester bei Bewerbungen nicht als „Fachsemester” berücksichtigt würden und die Arbeitgeber auf eine geringe Semesterzahl achteten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 15. Dezember 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2000 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit von September 1999 bis März 2000 Kindergeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er führt aus, die Beurlaubung wegen Kindesbetreuung bedeute eine kindergeldschädliche Unterbrechung des Studiums, da sich die Tochter des Klägers während der Urlaubssemester nicht in Berufsausbildung im Sinn des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) EStG befunden habe.

Für weitere Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) EStG wird ein Kind kindergeldrechtlich (unter anderem) nur berücksichtigt, wenn es – vor Vollendung des 27. Lebensjahres – für einen Beruf ausgebildet wird. Das Studium an einer Universität ist als Berufsausbildung im Sinn dieser Vorschrift anzusehen. Eine Beurlaubung vom Studium ist jedoch eine Unterbrechung der Ausbildung, die den Anspruch auf Kindergeld entfallen lässt. Dies gilt auch für eine Beurlaubung wegen Kindesbetreuung, soweit sie über die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 des Mutterschutzgesetzes hinausgeht (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht – FG –, Urteil vom 30. September 1997 V 280/97, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 374; FG des Landes Brandenburg. Urteil vom 2. Juli 1998 V K 1257/97, Kg, EFG 1998, 1417; beide rechtskräftig).

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