Entscheidungsstichwort (Thema)
Beruflich bedingte Nichtrückkehrtage für Grenzgänger i.S. des DBA-Frankreich. Verwaltungsanweisung und Gesetzesvorbehalt bei Doppelbesteuerungsabkommen
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Grenzgängereigenschaft schädlich sind nur solche beruflich bedingten Nichtrückkehrtage im Sinne des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, an denen der Grenzgänger außerhalb seines Ansässigkeitsstaates übernachtet und nicht in diesen zurückkehrt.
2. Für die Beurteilung der beruflich bedingten Nichtrückkehrtage kommt es darauf, in welchem Umfang sich der Arbeitnehmer stundenweise außerhalb der Grenzzone aufhält und er von seinem Arbeitgeber Tagegeld erhält, entgegen innerstaatlicher Verwaltungsanweisungen nicht an.
3. Dienstreisen in den Ansässigkeitsstat sind nicht als für die Grenzgängereigenschaft schädliche Nichtrückkehrtage zu berücksichtigen.
Normenkette
DBA FRA Art. 13 Abs. 5; GG Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Januar 2005 für den Zeitraum 2001 bis 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2006 werden aufgehoben.
2. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Ermöglicht die Entscheidung über die Kosten eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1500 EUR, hat der Kläger Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung zu leisten. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheides der Streitjahre 2001 bis 2003.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, die Profilier- und Rohrschweißanlagen herstellt. Als Verkaufsleiter war der seit 1. Mai 1991 bei ihr beschäftigte französische Arbeitnehmer B, F-X, tätig. Die Gesellschaft behandelte dessen Arbeitslohn als Grenzgängerlohn i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, da dem Arbeitgeber Freistellungsbescheinigungen für die Streitjahre vorlagen. Im Verlauf einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Prüfer, gestützt auf die damalige Verständigungsvereinbarung mit Frankreich vom 20. Februar 1980 BStBl I 1980, 88 und die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen, die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich in den Jahren 2001 bis 2003 nicht mehr vorlägen, da sich der Arbeitnehmer an mehr als 45 Tagen außerhalb der Grenzzone aufgehalten habe, nämlich im Jahr 2001 an 51, im Jahr 2002 an 53 und im Jahr 2003 an 54 Tagen. Auf den Inhalt der zunächst erstellten Aufstellungen der schädlichen Tage (Rb-Akten Bl. 73-75) und den Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 26. November 2004 Tz. 11 nebst Anlagen wird verwiesen.
Aufgrund der Prüfung erging am 14. Januar 2005 ein Lohnsteuerhaftungsbescheid, mit dem Lohnsteuer (LSt) und Solidaritätszuschlag i. H. v. insgesamt 37.565,49 EUR von der Klägerin nachgefordert wurde. Dagegen legte diese form- und fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Zählweise für die schädlichen Arbeitstage nicht zutreffend sei. Nach dem Schreiben der OFD vom 6. September 2002 seien zwar sämtliche Tage als schädliche Tage i. S. der Grenzgängerregelung zu behandeln, wenn der Steuerpflichtige sich mehr als zwölf Stunden außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber aufhalte. Schädlich sei danach die Tätigkeit außerhalb der Grenzzone. Dieses Schreiben stehe jedoch mit Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich nicht in Einklang und sei daher rechtswidrig. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe durch Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2005, 375) die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, in welchem stundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich tatsächlich außerhalb der Grenzzone aufhalte und ob und in welchem Umfang er von seinem Arbeitgeber ein Tagegeld erhalte. Die insoweit ergangenen Verwaltungsanweisungen seien rechtswidrig. Auch in einem Urteil des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes vom 29. April 2004 2 K 305/00, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2004, 1060 sei die Auslegung der Finanzverwaltung abgelehnt worden. Die gegen dieses Urteil von der Finanzverwaltung eingelegte Revision, die beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 53/04 anhängig gewesen sei, sei zurückgenommen worden. Nach der Rechtsprechung seien zudem An- und Abreisetage regelmäßig nicht schädlich, auch wenn die An- bzw. Abreise Bestandteil einer Dienstreise von einer Dauer von mehr als zwölf Stunden seien. Durch die Rechtsprechung des BFH werde die fiskalische Auslegung der 45-Tage-Regelung durch die Finanzverwaltung verhindert. Nach der herrschenden Literaturauffassung seien ...