rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine umsatzsteuerliche Organschaft bei Schwestergesellschaften
Leitsatz (redaktionell)
1. Es liegt keine Organschaft zwischen einer Partnerschaftsgesellschaft als Organtr‰ger und einer GmbH als Organgesellschaft vor, wenn die GmbH nicht finanziell in das Unternehmen der Partnerschaft eingegliedert ist.
2. Die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Partnerschaftsgesellschaft ist zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.
3. Erbringt der Gesellschafter keine entgeltlichen Leistungen an die Gesellschaften, scheidet eine Organschaft zwischen ihm als Organtr‰ger und den Gesellschaften als Organgesellschaften mangels wirtschaftlicher Eingliederung aus.
4. Dies gilt auch dann, wenn entgeltliche Leistungen lediglich zwischen den Untergesellschaften ausgetauscht werden.
5. Es liegt keine wirtschaftliche Eingliederung vor, wenn den entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters für die Unternehmenst‰tigkeit der Untergesellschaft nur unwesentliche Bedeutung zukommt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 23. Mai 2007 gegründete GmbH. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer ist Herr A (A). Gegenstand der Klägerin ist laut Gesellschaftsvertrag bzw. Gesellschafterbeschluss vom 29. Februar 2008 das „Erbringen von … medizinischen … Leistungen”.
A war in den Streitjahren außerdem Gesellschafter der mit „Vertrag über die medizinische Jobsharing-Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der Partnerschaft” vom 21. Oktober 2004 zum 1. Januar 2005 gegründeten „PD A und Partner Ärzte für Diagnostische […]” (Partnerschaft). Sein Kapitalanteil betrug 100 %. An der Partnerschaft waren zwei weitere natürliche Personen ohne Kapitalanteil beteiligt. Ein dritter Gesellschafter trat der Partnerschaft –ebenfalls ohne Kapitalanteil– im Jahr 2008 bei. Die Partnerschaft wird von A als geschäftsführendem Gesellschafter oder durch alle Gesellschafter gemeinsam vertreten. Die Geschäftsführung obliegt allen Gesellschaftern gemeinsam.
A hält seine Beteiligung an der Klägerin im Sonderbetriebsvermögen bei der Partnerschaft. Das Inventar der Partnerschaft wird nach dem Praxisvertrag als Sonderbetriebsvermögen des A behandelt. Er ist seit dem Jahr 2006 jedenfalls durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage (als natürliche Person) Unternehmer.
Die Partnerschaft erbrachte nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie heilmedizinische Leistungen auf dem Gebiet der […]. Die Umsätze betrugen in den Streitjahren zwischen x,x und x Mio. EUR. Die Klägerin führte entgegen dem angegebenen Gesellschaftszweck aufgrund eines Dienstleistungsvertrags zwischen ihr und der Partnerschaft vom 30. Juli 2007 entgeltliche Abrechnungsleistungen (Inkasso), Reinigungsarbeiten und EDV-Support an die Partnerschaft aus.
In ihren Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2010 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze und Vorsteuern wie folgt:
Jahr |
Umsätze |
Vorsteuern |
2007 |
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2008 |
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2009 |
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2010 |
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Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 13. Februar 2012 die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010. Unter Berufung auf Abschn. 2.8 Abs. 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlass in der ab dem 4. Juli 2011 geltenden Fassung (UStAE) sei eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der Partnerschaft als Organträgerin anzuerkennen. Außerdem gab sie am 14. Februar 2012 geänderte Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2010 ab, in denen sie weder steuerpflichtige Leistungen noch Vorsteuern erklärte.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) stimmte den geänderten Umsatzsteuererklärungen in den Umsatzsteuerbescheiden 2007 bis 2010 vom 22. Juni 2012 nicht zu, da keine umsatzsteuerliche Organschaft vorliege. Die Vorbehalte der Nachprüfung blieben bestehen.
Mit dem dagegen am 17. Juli 2012 eingelegten Einspruch berief sich die Klägerin weiterhin auf Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE. Während des Einspruchsverfahrens führte das FA eine Außenprüfung durch (Bericht vom 30. September 2013). Die Vorbehalte der Nachprüfung wurden mit den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2007 bis 2010 vom 28. Oktober 2013 aufgehoben.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass zwischen Schwestergesellschaften keine Organschaft angenommen werden könne (Hinweis auf Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600). Die Übergangsregelung im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 5. Juli 2011 (BStBl I 2011, 703) betreffe Altfälle, bei denen –anders als im Streitfall– in der Vergangenheit vom Steuerpflichtigen und d...