rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Treu und Glauben bei der Änderung eines Steuerbescheids. Leichtfertige Steuerverkürzung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird die Einkommensteuererklärung von einem steuerlichen Berater erstellt, kann das FA davon ausgehen, dass die richtigen steuerlichen Folgen aus dem tatsächlichen Sachverhalt gezogen und erklärt worden sind, so dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben nicht ausgeschlossen ist.

2. Hinsichtlich der Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO ist es unerheblich, ob der Steuerschuldner selbst oder sein Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat.

3. Ist der steuerliche Berater als Erfüllungsgehilfe anzusehen, scheidet die Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 S. 3 AO aus.

4. Der Steuerberater sowie sein Erfüllungsgehilfe handeln leichtfertig, wenn sie bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG mit Forderungskonten buchen und eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich des Saldovortrags aus dem Vorjahr unterbleibt.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, §§ 88, 169 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 2-3, § 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 378; EStG § 4 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.06.2010; Aktenzeichen VIII B 24/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2003 von dem Beklagten geändert werden durften.

Die Kläger sind verheiratet. Der Kläger ist als Arzt selbständig tätig, die Klägerin ist bei ihm als MTA beschäftigt. Darüber hinaus erzielten die Kläger in den Streitjahren Einkünfte aus gewerblichen Beteiligungen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Steuererklärungen der Kläger gingen für den Veranlagungszeitraum 2000 am 6. November 2002, für 2001 am 19. September 2003, für 2002 am 16. Juli 2004 und für 2003 am 24. Juli 2005 bei dem Beklagten ein.

Am 5. Juli 2007 wurde beim Kläger mit einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 begonnen, die am 8. August 2007 auf die Jahre 2000 bis 2002 erweitert worden ist. Die hierbei getroffenen Feststellungen sind in dem Prüfungsbericht vom 28. September 2007 (auf den Bezug genommen wird) im Einzelnen festgehalten. Ausweislich der Schlussbemerkung im Prüfungsbericht war über diese Prüfungsfeststellungen Übereinstimmung erzielt und auf die Durchführung einer Schlussbesprechung verzichtet worden. Unter Anderem stellte die Prüferin in Bezug auf die Erlöse der Jahre 2000 bis 2003 (vgl. Tz. 11 des Berichts) fest, dass diese in den betreffenden, vom steuerlichen Berater des Klägers erstellten Gewinnermittlungen nicht vollständig enthalten und damit die Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers zu niedrig erklärt worden sind. Zur Erläuterung führte sie aus: „Der Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit wird gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Dieser Gewinnermittlung „liegt das reine Zufluss-/Abflussprinzip des § 11 EStG zugrunde. Im vorliegenden Fall wurde die Buchhaltung wie bei einem Bilanzierenden vorgenommen, d.h. die Erlöse wurden über Forderungen verbucht. Bei der Erstellung der Gewinnermittlung ist dann die Forderungsveränderung aus der Differenz des Anfangsbestandes und des Endbestandes der Forderungen von den Erlösen abzusetzen bzw. hinzuzurechnen. Durch die fehlerhafte Auswertung der Buchhaltung wurde aber lediglich der Forderungsendbestand zum 31. Dezember eines jeden Jahres von den Erlösen abgesetzt. Eine Hinzurechnung der Forderungen zum 31. Dezember des Vorjahres ist unterblieben.

Die Differenzen zwischen den erklärten und den tatsächlichen Einnahmen stellen sich danach wie folgt dar:

erklärte Einnahmen

tatsächliche Einnahmen

Differenz

Abweichung

2000

714.649 DM

815.805 DM

137.156 DM

16,1 v. H.

2001

854.308 DM

1.042.602 DM

188.294 DM

18,1 v H.

2002

392.594 Euro

448.702 Euro

56.108 Euro

12,5 v. H.

2003

419.568 Euro

475.745 Euro

56.177 Euro

11,8 v. H.

Nach einem Schreiben der X vom 20. Juli 2007 hatte diese ihre Kunden erstmals bereits in den Informationen für Anwender JAHR 1/96 vom 12. Januar 1996 über die im Zuge der Jahresabschlusserstellung in einem solchen Fall unbedingt notwendigen, vorzunehmenden Korrekturen informiert. Zusätzlich wurden diese Buchungsregeln im Anwenderhandbuch mit aufgenommen. Mit Einführung der Informations-Datenbank wurden diese Buchungsregeln 1999 kostenlos allen Anwendern elektronisch zur Verfügung gestellt und 2001 in derReihe „Praxiswissen Betriebswirtschaft” in gebundener Form veröffentlicht, worüber im Juni 2001 in dem kostenlosen Rundschreiben „6/2001” berichtet wurde. Die zweite Auflage dieser Buchungsregeln wurde im November 2003 herausgegeben. Bei den PC-Produkten zur Jahresabschlusserstellung Kanzlei-Rechnungswesen und BILANZ, Version 4.1 (Auslieferung zum Jahreswechsel 2002/2003) wurde ein Hinweis auf die Buchungsregeln aufgenommen, der automatisch erscheint, wenn di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge