rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug bei variablen Altenteilzahlungen. Vertragsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Altenteilzahlungen im Gegenzug sind auch dann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn die vereinbarten Leistungen während der Lebensdauer des Altenteilers der Höhe nach nicht konstant bleiben.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die der Höhe nach unterschiedlichen Leistungen auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und nicht getrennt voneinander vereinbart worden sind.
3. Es bestehen keine Zweifel an der Auslegung eines Vertrages, wenn sämtliche am Vertragsschluss beteiligten Parteien den Inhalt der Vereinbarung gegen sich gelten lassen und damit zu erkennen geben, dass sie einvernehmlich die Regelung in diesem Sinne verstanden haben.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nrn. 1a, 2
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 wird in der Weise geändert, dass weitere unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben von 3.000 EUR berücksichtigt werden.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer des Streitjahrs 2012 zusammenveranlagt. Die Eltern der Klägerin, die in den Jahren 1947 und 1949 geborenen Eheleute X. und A. Z., übergaben der Klägerin mit notariell beurkundetem Übergabevertrag vom 22. Februar 2012 ihr gesamtes landwirtschaftliches Anwesen einschließlich aller gesetzlichen Bestandteile und des Zubehörs sowie den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb mit allen Aktiva und Passiva. Sowohl die Klägerin als auch die Eltern verpflichteten sich zugleich zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern an die beiden Schwestern der Klägerin. Unter „§ 6 – Vorbehaltsrechte” waren Wohnungs- und Mitbenutzungsrechte zugunsten der Eltern vereinbart. § 6 Ziff. 3 des Übergabevertrags war mit „Dauernde Last” überschrieben und lautete auszugsweise wie folgt:
„Frau Y [die Klägerin] zahlt an Frau A. Z. und Herrn X. Z. ab März 2012 einen monatlichen Betrag in folgender Höhe:
auf die Dauer der ersten 5 Jahre ab Beginn der Zahlung jeweils EUR 600,00
– i. W. fünfhundert Euro –.
danach bis zum Lebensende EUR 300,00
– i. W. dreihundert Euro –
Dem überlebenden Elternteil steht die Summe allein und ungeschmälert zu.
Der jeweilige Betrag ist monatlich im Voraus zu zahlen.” Im Anschluss daran waren die Wertsicherung der Zahlungsverpflichtung und die Modalitäten der Anpassung im Einzelnen geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Wortlaut des Vertrags verwiesen (Bl. 24 ff. der Allgemeinen Akten des beklagten Finanzamts – des Beklagten –).
Ab März 2012 zahlte die Klägerin an ihre Eltern monatlich 600 EUR. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung machten die Kläger Geldleistungen für zehn Monate zu je 600 EUR mit insgesamt 6.000 EUR als Sonderausgaben in Gestalt von Altenteil-Versorgungsleistungen steuerlich geltend. Der Beklagte berücksichtigte davon im Einkommensteuerbescheid vom 19. März 2014 nur einen Teilbetrag von 3.000 EUR. Die Altenteilsleistungen würden nur in Höhe von 300 EUR pro Monat anerkannt. Diese Zahlungen stellten nur insoweit Versorgungsleistungen dar, als sie auf Lebenszeit des Empfängers gezahlt würden. Das Merkmal „lebenslang” ergebe sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG), der für Übertragungen ab dem 1. Januar 2008 gelte.
Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass das Baraltenteil auf das Lebensende der Übergeber vereinbart worden sei. Daher entspreche es dem Wortlaut des Gesetzes. Aus diesem Wortlaut sei nicht ersichtlich, dass das Baraltenteil lebenslang in gleicher Höhe zu gewähren sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 als unbegründet zurück. Wiederkehrende Leistungen seien nur dann Versorgungsleistungen, wenn sie auf die Lebenszeit des Empfängers gezahlt würden. Dieses Merkmal ergebe sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut. Bei Hofübergaben nach dem 31. Dezember 2007 sei von Beginn an nur der Betrag anzuerkennen, welcher lebenslänglich gewährt werde. Dies seien im Streitfall nur 300 EUR je Monat.
Dagege...