rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerpflicht der Tätigkeit als Streichinstrumentenbauer. Gewerbesteuer-Meßbetrag 1997–1999

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerpflichtiger übt eine künstlerische Tätigkeit im Bereich der sog. Gebrauchskunst aus, wenn er eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt, und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht.

2. Die rein handwerks- bzw. fabrikmäßige Herstellung von Musikinstrumenten erfordert in aller Regel keine „eigenschöpferische Leistung”. Ein Geigenbaumeister kann mit dem Bau von Streichinstrumenten aber ausnahmsweise als „Künstler” i.S. von § 18 EStG anerkannt werden, wenn er mit seinen Werken zumindest in einschlägigen fachkundigen Kreisen als „Künstler” anerkannt und behandelt wird.

3. Dies ist nicht bereits allein deswegen der Fall, weil sich aus Stellungnahmen und Zeugnissen einzelner Kunden ergibt, dass sich die Instrumente bei diesen großer Wertschätzung erfreuen und ihnen höchste künstlerische Qualität bescheinigt wird. Derartige Stellungnahmen sind aber ebenso Indizien für eine künstlerische Anerkennung in Fachkreisen wie z.B. die Mitgliedschaft in Künstlervereinen, Aufnahme in Künstlerlexika sowie der Umstand, dass der Kläger bei Musikaufführungen mit seinen Instrumenten in Programmheften oder auf Tonträgern gleichrangig mit Musikern, Dirigenten und Komponisten aufgeführt wird und es sich dabei nicht nur um bloße Verkaufswerbung für seine Instrumente handelt.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1997 bis 1999, ob die Einkünfte des Klägers als Streichinstrumentenbauer solche aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit sind.

Der Kläger ist Geigenbaumeister, der sowohl Handel mit und Reparaturen von Musikinstrumenten als auch den Bau von Streichinstrumenten betreibt. Bereits der Vater des Klägers übte diese Tätigkeit aus. Ein von diesem wegen derselben Streitfrage bereits beim 2. Senat des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg geführter Rechtsstreit aus dem Jahre 1989 wurde nach Einholung eines – in einem weiteren Parallelverfahren erforderlich gewordenen – Sachverständigengutachtens außergerichtlich erledigt und die künstlerische Qualität von dessen Geigenbautätigkeit anerkannt. Auf den Inhalt der vom erkennenden Gericht beigezogenen Akten II K 250/88 und III K 534/83 wird verwiesen.

In seinen Steuererklärungen teilte der Kläger seine Einkünfte in gewerbliche (Handel mit gebrauchten Musikinstrumenten, Reparaturarbeiten) und freiberufliche Einkünfte (Streichinstrumentenbau) auf. Danach betrugen in den Jahren 1997–1999 die gewerblichen Einkünfte 35.395 DM, 73.674 DM bzw. 63.147, die freiberuflichen Einkünfte 54.124 DM, 35.127 DM bzw. 22.661 DM.

Das beklagte Finanzamt (FA) vertrat demgegenüber die Auffassung, dass es sich auch bei dem Streichinstrumentenbau um eine handwerkliche und damit gewerbliche Tätigkeit handele, die hiermit erzielten Einkünfte somit der Gewerbesteuer unterlägen. Mit Gewerbesteuermessbescheiden der Streitjahre 1997 vom 13. September 1999, 1998 vom 11. August 2000 bzw. 1999 vom 11. Dezember 2001 wurden die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge auf 590 DM, 1.104 DM bzw. 516 DM festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit seiner Klage, in deren Verlauf er im Wesentlichen Folgendes vortragen lässt: Wer sich – wie er dies tue – ernsthaft künstlerisch mit dem Bau von Streichinstrumenten auseinandersetze, entwerfe im Rahmen gewisser Abmessungen, welche in spieltechnischer und physikalischer Hinsicht vorgegeben seien, ihm eigene Modelle, die nicht nur einen ästhetischen Selbstzweck erfüllten, sondern mit einer klaren tonlichen Zielsetzung entstünden. Solche überdurchschnittlichen Klangeigenschaften seien nur durch intuitive und eigenschöpferische Fähigkeiten des Erbauers zu erzielen. So würden z.B. die Arbeiten aus der klassischen italienischen Blütezeit nicht wegen der herrlichen äußerlichen Arbeit, sondern wegen des Klanges mit mehreren Hunderttausend bis zu einigen Millionen Euro gehandelt. Hier käme man wohl nicht auf den Gedanken, diese Arbeiten nicht als Ergebnisse schöpferischen Tuns, d.h. als Kunstwerke, zu sehen.

Gebaut würden Streichinstrumente überwiegend aus Ahornholz für Boden, Zargen und Hals. Für die Decke werde Fichtenholz verwendet. Das Material, welches ein Geigenbaumeister verwende, werde nicht beim Holzhändler eingekauft. Es werde in entsprechenden Vegetationsgebieten eingeschlagen, aufgearbeitet und müsse vor der Verarbeitung etwa 20 Jahre gelagert werden. Schon die Wahl des Holzes werde beim Kläger ganz bewusst in die klangliche Gesamtkonzeption einbezogen.

Der Kläger entwerfe dann das Model...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge