Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 nicht verfassungswidrig. keine gewerblichen Einkünfte allein durch eine hohe Anzahl von Termingeschäften mit Differenzkontrakten (CFD). - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 11/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2020 vom 21.12.2020 ist trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken insoweit noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen und die Verlustverrechnung zudem auf jährlich 20.000 EUR begrenzt ist; die Regelung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zu § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) ergangenen Vorlagebeschlusses des BFH, Vorlagebeschluss v. 17.11.2020, VIII R 11/18, BStBl 2021 II S. 562) an das Bundesverfassungsgericht.
2. Die Einführung eines besonderen Verlustverrechnungskreises und dessen Ausgestaltung erscheint unter dem Gesichtpunkt als sachlich gerechtfertigt und als nicht willkürlich, als der Gesetzgeber damit spekulative Finanzgeschäfte steuerlich unattraktiv machen wollte (Lenkungsziel).
3. Die Termingeschäftsgewinne und – verluste eines nicht am Markt als Finanzdienstleister auftretenden Steuerpflichtigen aus einer Vielzahl von Transaktionen, bei denen er mit Differenzkontrakten „Contracts for Differences” – CFD –) handelt und hierfür die digitale Trading-Plattform eines ausländischen Unternehmens nutzt, führen nicht zu gewerblichen Einkünften, sondern zu Kapitaleinkünften; CFDs sind – wie auch Swaps – als Termingeschäfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG bzw. als Termingeschäfte ausgestaltete Finanzinstrumente im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG zu qualifizieren.
Normenkette
EStG 2021 § 15 Abs. 2, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a, b, Abs. 6 S. 5, Abs. 8 S. 1, § 52 Abs. 28 S. 5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit der in § 20 Abs. 6 Satz 5 des Einkommensteuerge setzes (EStG) in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (GrenzStGestaltG) vom
21. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2019, 2875, 2884), geändert durch Art. 1 Nr. 9 des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3096, 3098), geregelten Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte.
Die Kläger (Ehemann geboren in 1986; Ehefrau geboren in 1987) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hat eine Ausbildung zum Vermögensberater bei der Firma A absolviert. Er arbeitet als (…) bei der Firma B in Stadt C.
Die Klägerin ist (…) und arbeitet als (…) in Stadt D. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 vom 6. Oktober 2022 erklärten sie unter anderem folgende Einkünfte des Klägers:
inländische Kapitalerträge |
5.810 EUR |
davon Zinsen aus Guthaben und Einlagen |
19 EUR |
ausländische Kapitalerträge |
224.448 EUR |
in den Kapitalerträgen enthaltene Gewinne aus Aktienveräußerungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG |
771 EUR |
in den Kapitalerträgen enthaltene Einkünfte aus Stillhalterprämien und Gewinne aus Termingeschäften |
229.468 EUR |
Verluste aus Termingeschäften |
218.880 EUR |
private Veräußerungsgeschäfte (Gewinn aus dem Verkauf von Kryp towährungen) |
7.277 EUR |
Die Termingeschäftsgewinne und -verluste des Klägers resultierten aus einer Vielzahl von Transaktionen, bei denen er mit Differenzkontrakten („Contracts for Differences” – CFD) handelte (u.a. Bitcoin Swap; Tesla Motors Inc. Swap; Alibaba Swap; Solar Edge Technologies Swap; BYD Co. Ltd. Swap; SPX 500 Swap; NASDAQ 100 Swap; GER 40 Swap; Teladoc Health Inc. Swap; Team Viewer AG Swap; Varta AG Swap).
Der Kläger nutzte hierfür die digitale Trading-Plattform der Firma F Ltd. (Stadt E, südeu ropäisches Land – künftig: Firma F). Der Kläger begann im Jahr 2021 mit dem Handel über Firma F. Zu Beginn musste er eine Selbsteinschätzung abgeben und ein Konto er öffnen. Die Trades schloss er unter Nutzung seines PCs ab, der auf einem Schreibtisch im Zimmer seines Kindes stand. Die Familie bewohnte eine angemietete Wohnung mit einer Wohnfläche von 77 m². Die Handelsgeschäfte, die er mit Eigenkapital finanzierte, führte er nur für sich selbst aus. Er handelte mit Hebel. Das Verlustrisiko war ihm bewusst.
Der Kläger stellte die Handelsgeschäfte ein, als ihm die gesetzliche Regelung zur steu erlichen Behandlung bei Erstellung seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr im September bzw. Oktober 2022 bewusst wurde. Eine (teilweise) Verrechnung der Ver luste aus 2021 war in 2022 nach Angaben des Klägers nicht möglich. Danach entstanden in...