rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraft des Urteils über Vorauszahlungsbescheide. Unterbrechung der Zahlungsverjährung aufgrund Pfändung. keine Bindung des Gerichts an Verständigungsvereinbarungen bei der Beurteilung von Nichtrückkehrtagen nach DBA-Schweiz. Nachweis von Nichtrückkehrtagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerjahresbescheids steht ein rechtskräftiges Urteil über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuervorauszahlungsbescheids nicht entgegen, soweit Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerjahresbescheids war.
2. Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung tritt auch dann ein, wenn die Mitteilung der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner gegenüber dem Vollstreckungsschuldner oder seinem Bevollmächtigten unterblieben ist und die Pfändung mangels bestehender Forderung ins Leere geht.
3. Die Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung i. S. d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz liegt auch dann vor, wenn die Rückkehr an den Ansässigkeitsstaat nicht zumutbar ist. An den Tagen, an denen der Kläger bis weit in den Abend hinein gearbeitet hat (bis 22:30 Uhr und darüber hinaus), war ihm die Rückkehr von seinem Arbeitsort an seinen Wohnort „aufgrund seiner Arbeitsausübung” nicht zumutbar.
4. Die Überzeugung davon, ob ein Arbeitnehmer an mehr als 60 Tagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist, gewinnt das Gericht frei und ohne Bindung an feste Beweisregeln; dies verbietet die „schablonenhafte” Anwendung von Einzelvereinbarungen oder generellen Vereinbarungen in Verständigungsverfahren zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Frage, wann aufgrund der Wegstrecke und Fahrzeit von der Unzumutbarkeit der Rückkehr an den Ansässigkeitsstaats auszugehen ist.
5. Die Anzahl der Nichtrückkehrtage bedarf des vollen Beweises; allein die Entfernung zwischen Arbeitsort und Wohnort (im Streitfall rd. 95 km) ist nicht ausreichend, um eine ausreichende Zahl von Nichtrückkehrtagen und die berufliche Veranlassung der Nichtrückkehr darzulegen.
Normenkette
DBA CHE Art. 15a Abs. 1-2, Art. 15, 24; AO § 231 Abs. 1; FGO § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
Tenor
1.
- Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1998 vom 03. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2002 wird die Einkommensteuer auf 6.239 DM (= 3.189,95 EUR) festgesetzt.
- Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 21. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. September 2003 wird die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt.
- Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2000 vom 21. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. September 2003 wird die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Der Streitwert wird auf 173.923 DM (= 88.925,41 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
Der am 1952 geborene Kläger wird für das Streitjahr 1998 zusammen mit seiner am 1953 geborenen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen, für die (übrigen) Streitjahre 1999 und 2000 zur Einkommensteuer allein veranlagt. Die Eheleute haben zwei Töchter, die 1980 geborene T 1 und die am 1982 geborene T 2. Die Eheleute sind seit 1986 verheiratet. Die Kläger lebten zunächst (bis Anfang Oktober 2000) zusammen mit ihren Töchtern (S. 7 Abs. 1 der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 14. Juli 2006, Bl. 73h der FG-Akten 3 K 5/07) in dem Gebäude Str. in X. Alleineigentümerin dieses Grundstücks war die Ehefrau des Klägers.
Der Kläger studierte nach Abschluss seiner Schulzeit das Fach Philosophie, ohne dieses Studium jedoch abzuschließen. Später absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung zum Industriekaufmann und Betriebsinformatiker (IHK). Vom 01. Januar bis zum 31. März 1997 arbeitete der Kläger bei der N GmbH in Y (Hinweis auf die Lohnsteuerkarte 1997, Einkommensteuerakten Bl. 11 a/1997). Anschließend nahm er eine Tätigkeit bei der M AG in F/CH als Organisationsprogrammierer auf, danach als O bei der P (Schweiz) AG. Sein Arbeitsort war zunächst R im Kanton R. Zum 01. Januar 1998 wechselte er beim selben Arbeitgeber in dessen (schweizerische) Zentrale nach Z, Str. 2, wo der Kläger heute noch arbeitet. Wegen der näheren Einzelheiten seiner Tätigkeit wird auf den Arbeitsvertrag vom 29. April 1997 Bezug genommen (Bl. 105 – 110 der Finanzgerichts(FG)-Akten 3 K 5/07).
Die Entfernung zwische...