Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Einkünften einer französischen Beamtin im Rahmen des Progressionsvorbehalts bei Anwendung des Ehegattensplittings
Leitsatz (redaktionell)
1. Die nach dem Kassenstaatsprinzip nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte einer französischen Beamtin mit Wohnsitz im Inland sind bei der Anwendung des Ehegattensplittings insoweit im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen, als es sich um nach deutschem und nicht nach französischem Recht zu versteuerndes Einkommen handelt.
2. Der Progressionsvorbehalt verstößt weder gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit noch gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot noch gegen die Freizügigkeit von Unionsbürgern. Denn dem Steuerpflichtigen soll kein Progressionsvorteil dadurch entstehen, dass er seine Einkünfte in verschiedenen Staaten erzielt und dadurch sein Gesamteinkommen jeweils in eine
niedrigere Tarifstufe als bei der Erzielung im Bereich nur eines Steuerhoheitsträgers gelangt.
3. Es besteht keine Gleichheit im Unrecht.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3, § 32a Abs. 1, 5, § 12 Nr. 3, § 10 Abs. 3; DBA FRA Art. 20 Abs. 1a, Art. 21; GG Art. 3 Abs. 1; EGV Art. 18 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl) sind Eheleute. Sie erzielen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin (Klin) besitzt die französische Staatsangehörigkeit und ist Beamtin bei der französischen Verwaltung (Contrôleur des Impôts). Der Kläger (Kl) war in den Streitjahren Beamter.
Am 26. Mai 2006 reichten sie beim Beklagten (Bekl) ihre Einkommensteuer (ESt)-Erklärung 2005 und am 8. Oktober 2007 ihre ESt-Erklärung 2006 ein. Darin erklärten sie u.a. für die Streitjahre Einkünfte der Kl aus nichtselbständiger Arbeit. Der von der Klin in Frankreich bezogene Bruttoarbeitslohn setzte sich ausweislich der vorgelegten Gehaltsmitteilungen (AS. 87 ff. ESt-Akten Band III) aus folgenden Bestandteilen zusammen:
Traitement brut |
Bruttobezüge |
Indemnite de Residence |
Ortszuschlaag |
Indemnite pour difficultés adminstratives |
Entschädigung für Verwaltungserschwernisse |
Indemnite mensuelle technicite |
Monatliche Entschädigung für Fachwissen |
Indemnite exceptionelle |
Besondere Entschädigung |
Allocation complèmentaire de fonction |
Zusatzzuwendung für das ausgeübte Amt |
Insgesamt betrug dieser im Jahr 2005 EUR xxx und im Jahr 2006 EUR xxx. Auszahlungsstelle war jeweils die Generalkasse der Region BAS RHIN (Tresorerie generale du BAS RHIN). Ausweislich der vorgelegten Gehaltsmitteilungen waren die Bruttobezüge um folgende Abzugspositionen vermindert worden:
Pension civile |
Zivilpension |
Pension civile I.M.T. |
Zivilpension auf die monatliche Bruttoentschädigung für Fachwissen |
Contribution ouv. maladie deplafonn |
Arbeitnehmerbeitrag Krankenversicherung |
RAFP |
Arbeitnehmerbeitrag für Zusatzrente |
Retenue a la source |
Quellensteuer |
MAI Multi sante |
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit der Beamten, allgemeine Zusatzkrankenversicherung |
MAI premuo |
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit der Beamten, Zusatzversicherung für Invalidität und Hinterbliebenenversorgung |
Im Einzelnen haben diese Abzugsbeträge folgende Bedeutung:
Contribution ouv. maladie deplafonn:
Hierbei handelt es sich um Arbeitnehmeranteile zur allgemeinen Krankenversicherung.
RAFP:
= Retraite additionelle de la fonction publique.
Zusatzrente für den öffentlichen Sektor, die seit dem 1.1.2005 erhoben wird und dazu dient, das Versorgungsniveau beim Rentenbezug zu erhöhen. Die RAFP wird vom Bruttoarbeitslohn einbehalten. Diese Beträge werden durch die Behörde für die Zusatzrente des öffentlichen Dienstes verwaltet. Die während der Aktivphase geleisteten einkommensabhängigen Beiträge wirken sich auf die Höhe der späteren Ruhegehälter aus.
Contribution solidarite:
Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Sozialbeitrag, der zur Finanzierung der Sozialsysteme eingeführt wurde.
MAI:
= Mutuelle des agents des impôts. Hierbei handelt es sich um einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit im Bereich der Zusatzkrankenversicherung sowie der Zusatzversicherung für Invalidität und Hinterbliebenenversorgung.
Der Bekl führte die Veranlagung für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006 jeweils mit Bescheid vom 21. April 2008 (ESt-Akte S. 54 und S. 105) jeweils nach § 26 b EStG durch. Die von der Ehefrau bezogenen und nach inländischen Grundsätzen ermittelten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden jeweils im Rahmen des Progressionsvorbehalts bei der Bemessung des Einkommensteuersatzes berücksichtigt.
Gegen diese Bescheide erhoben die Kl am 21. Mai 2008 jeweils Einspruch. Während des Einspruchsverfahrens wurden die angefochtenen ESt-Bescheide 2005 und 2006 zuletzt am 11. März 2009 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert. Hierbei wurden die Einkünfte der Klin aus nichtselbstän...