rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV aufgrund gerügter Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm. formelle Verfassungsmäßigkeit des Übernachtungsgesetzes des Landes Berlin (ÜnStG Bln) ist nicht ernstlich zweifelhaft
Leitsatz (redaktionell)
1. In Fällen, in denen es um die Verfassungsmäßigkeit eines dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden, formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes geht, ist AdV nur dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige ein besonderes berechtigtes Interesse vorweisen kann, das eine mit der Aussetzung verbundene konkrete Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung überwiegt.
2. Fehlende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a GG betrifft nicht die Ordnungsmäßigkeit des Gesetzgebungsvorgangs in diesem Sinne.
3. Die formelle Verfassungsmäßigkeit des ÜnStG Bln begegnet bei summarischer Prüfung keinen ernstlichen Zweifeln.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 105 Abs. 2a; ÜnStG Bln
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner setzte im Wege der Schätzung Übernachtungsteuer für den Zeitraum Januar bis Juni 2014 gegenüber der Antragstellerin fest, da diese keine entsprechenden Anmeldungen abgegeben hatte. Auf den Einspruch der Antragstellerin und die Bezifferung der Umsätze und der hierauf entfallenden Übernachtungsteuer reduzierte der Antragsgegner die Steuerforderungen auf die erklärten Beträge. Der Einspruch ist noch nicht beschieden, die Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt.
Zur Begründung ihres Antrags macht die Antragstellerin geltend, das Gesetz über die Übernachtungsteuer (ÜnStG) sei verfassungswidrig. Das Land Berlin verfüge nicht über eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz. Die Steuer sei als Verbrauchsteuer mit der Umsatzsteuer vergleichbar, auch die Bemessungsgrundlage und der Steuerschuldner seien dieselben wie bei der Umsatzsteuer.
Das Gesetz verstoße zudem gegen das Gebot der Einheit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da der Landesgesetzgeber die den Beherbergungsbetrieben durch Bundesgesetz zu konjunkturellen Zwecken zugestandene Entlastung wieder abzuschöpfen versuche.
In der Erhebung der Übernachtungsteuer sei zudem ein strukturelles Vollzugsdefizit angelegt, da der Beherbergungsbetrieb den Gast nach dem Anlass seiner Reise befragen müsse, ohne die Richtigkeit der Auskunft überprüfen zu können. Hierdurch sei der Beherbergungsbetrieb auch dem Risiko ausgesetzt, bei einer späteren Überprüfung die Steuerschuld nicht auf den Gast abwälzen zu können.
Ferner liege eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung mit den Betreibern von Ferienwohnungen vor, die nicht unter das ÜnStG fielen.
Schließlich seien die Bürokratiekosten im Zusammenhang mit dem ÜnStG unverhältnismäßig hoch.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide über Übernachtungsteuer für die Monate Januar bis Juni 2014 vom 24.10.2014 in Höhe von 560,30 EUR (Januar), 989,20 EUR (Februar), 1.542,26 EUR (März), 1.886,24 EUR (April), 1.836,35 EUR (Mai) und 1.873,80 EUR(Juni) bis zum Ablauf eines Monats nach Erlass einer Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er tritt der Auffassung der Antragstellerin in allen Punkten entgegen. Selbst wenn jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ÜnStG bestünden, käme eine Aussetzung der Vollziehung wegen des dem Einzelinteresse übergeordneten öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Senat braucht im Rahmen dieses summarischen Verfahrens nicht zu entscheiden, ob ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Verfassungsmäßigkeit des ÜnStG und damit an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen.
Auch wenn erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit bestünden, könnte die Aussetzung der Vollziehung gleichwohl aus übergeordneten öffentlichen Interessen am Vollzug des ÜnStG nicht gewährt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist in den Fällen, in denen es um die Verfassungsmäßigkeit eines dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden, formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes geht, die Aussetzung der Vollziehung nur dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige ein besonderes berechtigtes Interesse vorweisen kann, das eine mit der Aussetzung verbundene konkrete Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung überwiegt (Beschluss vom 25.11.2014, VII B 65/14, BStBl II 2015, 207 m.w.N.). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Der Senat kann nach summarischer Prüfung nicht erkennen, dass das ÜnStG formell verfassungswidrig ist und schon deshalb keinen Geltungsanspruch hätte. Soweit die Antragstellerin die fehlende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz rügt, betrifft dies nicht die Ordnungsmäßigkeit des Gesetzgebungsvorgangs, auf den der BFH in diesem Zusamm...