Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Pflicht von Steuerberatern zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) mit Erhalt des Registrierungscodes von der Bundessteuerberaterkammer
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Klageerhebung nach dem 1.1.2023 konnten Steuerberater jedenfalls bis zum Zugang des Registrierungscodes für das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch per Fax oder Post Klage erheben, da für sie bis zu diesem Moment der elektronische Übermittlungsweg noch nicht zur Verfügung stand. Auf den Zeitpunkt der Versendung der Registrierungscodes durch die Bundessteuerberaterkammer hatten sie keinen Einfluss. Solange noch kein Gerichtsverfahren geschwebt hat, waren sie auch nicht verpflichtet, sich um Zugang per „fast lane” zu bemühen (gegen BFH, Beschluss v. 28.4.2023, XI B 101/22).
2. Ab dem Zugang des Registrierungscodes bestand für Steuerberater die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung, und zwar unabhängig davon, ob die Freischaltung dann tatsächlich erfolgt ist. Denn Steuerberaterinnen und Steuerberater hatten grundsätzlich die Obliegenheit, für die technischen Voraussetzungen rechtzeitig zu sorgen.
3. Im Streitfall: Gemäß § 52d FGO unwirksame Klageerhebung, wenn die Steuerberaterin ihren Registrierungscode bereits im Januar 2023 erhalten, sich infolge beruflicher Überlastung aber nicht um die Einrichtung des beSt gekümmert und noch im Mai 2023 eine Klage lediglich per Fax sowie Briefpost beim Finanzgericht eingereicht hat.
Normenkette
FGO §§ 52a, 52d Sätze 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Sache um die Steuerbarkeit ausländischer Einkünfte. Der Kläger hat als in C… wohnhafter Regisseur für seine selbständige Tätigkeit in Tschechien von einer tschechischen Kapitalgesellschaft im Streitjahr rund 142 TEUR erhalten, die das beklagte Finanzamt – FA – der Besteuerung unterwarf, weil die ausländische Besteuerung bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2023 nicht nachgewiesen worden war. Im Laufe des Klageverfahrens legt der Kläger dazu Nachweise vor.
Vorab ist die Wirksamkeit der Klageerhebung unter dem Gesichtspunkt der Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 52d Finanzgerichtsordnung – FGO –) zu klären. Die Klage wurde für den Kläger durch die in C… kanzleiansässige Steuerberaterin B… erhoben.
I.1.
Die Steuerberaterkammer C… hat im Laufe des Jahres 2022 ihre Mitglieder in drei Sondernewslettern über die technischen Voraussetzungen zum „besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach” – „beSt” informiert (vom 01.06.2022, 11.07.2022 und 21.10.2022). Wegen der Einzelheiten wird auf diese Newsletter Bezug genommen.
2.
Die Steuerberaterin B… hat ihren Zugangscode zum beSt von der Bundessteuerberaterkammer im Laufe des Monats Januar 2023 erhalten.
II.1.
Mit Schriftsatz datierend auf den 12.05.2023, per Fax eingegangen am 16.05.2023 und per Briefpost im Original eingegangen am 17.05.2023, hat sie für den Kläger Klage erhoben. In der Klageschrift heißt es: „Die Einrichtung der technischen Voraussetzung für die Übermittlung der Schriftsätze gemäß § 52d Satz 2 FGO verzögert sich leider. Hier habe ich einen Technikertermin Anfang Juni 2023. Gemäß § 52d Satz 2 FGO übermittle ich noch nach den allgemeinen Vorschriften. Sobald es technisch funktioniert, reiche ich auf elektronischem Weg alles nach.”
Zusammen mit der Eingangsverfügung vom 17.05.2023, ausgeführt mit Schreiben vom 23.05.2023, der Klägervertreterin zugestellt am 24.05.2023, wies der Berichterstatter auf Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Klageerhebung im Hinblick auf § 52d FGO hin. Er forderte auf, die technischen Probleme der Vertreterin bei der Einrichtung des beSt näher dazulegen und glaubhaft zu machen und dabei auch darzulegen, wann diese Probleme erstmal bekannt geworden sind, wodurch sie bekannt geworden sind und wieso sie nicht hätten vermieden werden können, wenn die technischen Hinweise der Steuerberaterkammer im vergangenen Jahr zur Kenntnis genommen und umgesetzt worden wären.
3.
Mit elektronischen eingereichtem Schriftsatz datierend auf den 29.06.2023, per EGVP übermittelt am 02.07.2023, teilte die Klägervertreterin mit, dass die Kommunikation über das beSt nunmehr funktioniere. Sie führt aus:
Die Informationen der Steuerberaterkammer im Jahr 2022 habe sie seinerzeit zur Kenntnis genommen. Die Einreichung des beSt habe sich bei ihr verzögert aufgrund der zahlreichen anderen Aufgaben (Routineaufgaben und außerordentliche Arbeiten seit Anfang 2023, wie Grundsteuererklärungen bis Ende Januar 2023, Schlussabrechnungen der Coronahilfen mit europäischem Beihilferecht bis Ende März 2023, Veröffentlichungen von Bilanzen für 2021 im Bundesanzeiger bis 11.04.2023, Schlussabrechnungen der Coronahilfen im Übrigen bis Ende Juni 2023, Kurzarbeitergeldabrechnungen der Bundesanstalt für Arbeit und Steuererklärungen für 2021 bis Ende Augus...