Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines rechtskräftigen Finanzgerichtsurteils nach Nichtabgabe der Steuererklärung und Erlass eines unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, auf geschätzten Zahlen beruhenden Jahresumsatzsteuerbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Entscheidungserhebliche Tatsachen, die zwischen den Beteiligten streitig waren und die vom Finanzgericht deshalb in einem rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigt wurden, weil einer der Beteiligten seiner prozessualen Pflicht, sich über die tatsächlichen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, nicht nachgekommen ist, können die sachliche Bindung der Beteiligten nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO an das rechtskräftige Urteil nicht beseitigen.
2. War Gegenstand eines rechtskräftigen Urteils u. a. die Frage, inwieweit die Insolvenz des Pächters die Höhe der Verpachtungsumsätze des klagenden Unternehmens und damit auch die Höhe der Jahresumsatzsteuer beeinflusst hat, so schließt die Rechtskraftwirkung dieses Urteils eine erneute Überprüfung der Höhe dieser Umsätze in einem erneuten Klageverfahren aus. Das gilt auch dann, wenn der ursprünglich angefochtene Umsatzsteuerbescheid mangels Abgabe der Steuererklärung auf geschätzten Zahlen beruht hat sowie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist und wenn das Unternehmen im Zuge des Einspruchsverfahren gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem ohne inhaltliche Änderung lediglich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist, eine Jahresumsatzsteuererklärung und eine – nur einen Teil des Streitjahres betreffende – Summen- und Saldenliste vorgelegt hat.
Normenkette
FGO § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 96 Abs. 1 S. 2; AO §§ 162, 164
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsatzsteuerfestsetzung 1998 unter Berücksichtigung der von der Klägerin abgegebenen Umsatzsteuererklärung geändert werden kann.
Die Klägerin war im Streitjahr Eigentümerin des mit dem Hotel M bebauten Grundstücks. Das Grundstück war im Streitjahr für einen Betrag von 30.000,– DM netto an die X-GmbH verpachtet. Die Klägerin meldete in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen Januar bis Juli 1998 jeweils Umsätze in Höhe von 30.000,– DM an.
Am 08.12.1998 beantragte die X-GmbH die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über ihr Vermögen. Dieser Antrag wurde am 03.03.1999 vom Amtsgericht N mangels Masse zurückgewiesen.
Am 15.02.2001 erließ der Beklagte einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid 1998, mit dem er ausgehend von Umsätzen in Höhe von 270.000,– DM die Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 41.850,– DM festsetzte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren beim Finanzgericht des Landes Brandenburg unter dem Aktenzeichen 5 K 2841/01 Klage. Während des Klageverfahrens führte der Beklagte bei der Klägerin eine abgekürzte Außenprüfung für das Streitjahr durch, die u. a. auch die Umsatzsteuer umfasste. Nach den Prüfungsfeststellungen wurde im Streitjahr keine Buchführung erstellt.
In Anschluss an die Prüfung setzte der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 2003 unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung die Umsatzsteuer auf 18.943,36 EUR herab, wobei er von Umsätzen in Höhe von 240.000,– DM ausging.
Das Gericht wies die Klage hinsichtlich der Umsatzsteuer 1998 als unbegründet ab. Zur Begründung wies es darauf hin, dass der Beklagte zur Schätzung befugt gewesen sei, da die Klägerin die ihr obliegende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht verletzt habe und insbesondere ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung nicht nachgekommen sei. Die Besteuerungsgrundlagen seien zutreffend geschätzt worden. Denn die Klägerin habe bis zum 31.08.1998 Verpachtungsleistungen an die X-GmbH erbracht. Der Vortrag der Klägerin, die Pächterin habe schon vor dem 01.09.1998 keine Pachtzahlungen mehr erbracht, führe zu keinem anderen Schätzungsergebnis. Dies beruhe auf dem Prinzip der Sollbesteuerung. Dass der Klägerin die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet worden sei, sei nicht ersichtlich. Das Gericht ordnete die Zustellung des Urteils durch Postzustellungsurkunde an, wobei der Zustellbedienstete beurkundete, dass er das Schriftstück dem Adressaten persönlich, also der „Y-GbR”, übergeben habe. An die Zustellungsurkunde ist ein Notizzettel geheftet, der nach dem verwendeten Kugelschreiber und den Schriftzügen ebenfalls vom Zusteller stammt und nach dem das Urteil an Herrn A, den Geschäftsführer der Firma, übergeben wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 78 der Gerichtsakte 5 K 2841/01 Bezug.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin am 19.12.2003 Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beschwerdeschrift war – wie ein Vergleich mit den im hiesigen Verfahren eingereichten Vollmachten ergibt – von Fr...