Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für fehlenden Steuerabzug auf Lizenzzahlungen an eine Schweizer AG. Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Lizenzvertrag. kein Zufluss durch Novation bei fehlender Verfügungsmacht. nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erforderliche Nutzung des Know-hows. Bindung des FA an die Feststellung der Staatsanwaltschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH hat die Pflicht, für die an eine Schweizer AG ohne Freistellungsbescheinigung überwiesenen Lizenzgebühren Abzugssteuern gem. § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. V.m. §§ 2 und 8 KStG, § 73e EStDV einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Bei schuldhaften Handeln verbunden mit der fehlenden Durchsetzbarkeit des Haftungsschadens bei der GmbH haftet der Geschäftsführer gem. § 69, § 34 AO.
2. Das an die Schweizer AG entrichtete Entgelt basiert auf einem den Steuerabzug gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 50a EStG auslösenden Lizenzvertrag und nicht auf einem Kaufvertrag, wenn sich dem von erfahrenen Parteien abgeschlossenen Vertrag keine endgültige Überlassung des entgoltenen Know-hows entnehmen lässt, weil eine Geheimhaltungspflicht der GmbH vereinbart ist, mit eingeweihten Personen schriftliche an die AG zu übermittelnde Geheimhaltungsvereinbarungen abzuschließen sind und ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht.
3. Der die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG auslösenden Nutzung des Know-hows zur Herstellung eines Produkts steht die fehlende Fertigstellung der in Bau befindlichen Produktionsanlagen nicht entgegen, wenn diese aufgrund des überlassenen Know-hows geplant wurde.
4. Steht fest, dass die Schweizer AG lediglich einen Teil der vertraglichen Vergütung erhalten hat, der übrige Teil jedoch nicht in deren Verfügungsbereich gelangt ist, weil nach den Feststellung der Staatsanwaltschaft mit einem zwischen AG und dem Geschäftsführer geschlossenen Scheindarlehen der KfW und der Investitionsbank des Landes Brandenburg Eigenmittel der GmbH zur Erlangung von Subventionen lediglich vorgetäuscht wurden, kann das FA im Besteuerungsverfahren nicht einen wirksamen Darlehensvertrag annehmen.
Normenkette
AO § 69; EStG § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 2, § 50d Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 9, § 11 Abs. 1; DBA CHE Art. 28 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; AO §§ 34, 191; KStG § 2 Nr. 1, § 8; EStDV § 73e; BGB §§ 346, 364, 362
Tenor
Die Haftungssumme wird unter Änderung des Haftungsbescheids vom 17. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 2004 auf 144.292,96 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 22 % und der Beklagte zu 78 % zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, von Beruf Unternehmensberater, war zunächst alleiniger Geschäftsführer der X. GmbH (im Folgenden: GmbH), die im März 1999 ins Handelsregister eingetragen wurde. Gem. § 1 des Geschäftsführervertrags sollte der Vertrieb und die Vertriebsorganisation, das Marketing und die Werbung Aufgabe des Klägers sein. Nicht zu seinem Aufgabengebiet sollten die Bereiche Finanz- und Vertragswesen, sowie Buchhaltung und alle erforderlichen Steuererklärungen gehören. Auf der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 3. Februar 2000, bestellte sich der Rechtsanwalt W., im Hauptberuf als Rechtsanwalt Partner einer Rechtsanwalts- und Steuerberatungssozietät in N., der Alleingesellschafter der GmbH war, mit sofortiger Wirkung zum weiteren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH.
Unter dem Datum 23. November 1998 hatte die GmbH (i.G.) mit der X. AG (im Folgenden: AG) eine als „Ausschließlicher Know-How Lizenzvertrag” bezeichnete Vereinbarung geschlossen. Die AG hatte ihren Sitz in … in der Schweiz und unterhielt in Deutschland keine Betriebsstätte. Vorstand der AG war A., Generalbevollmächtigter der Zeuge B (im Folgenden: B). Den Vertrag hatten nach Aktenlage S und A unterschrieben. Das Gericht schließt nicht aus, dass es einen für die GmbH von Herrn Sch unterzeichneten identischen Vertrag gibt (s. Beschluss des LG L. vom 20. Dezember 2001 – 25 Os …/01 – S. 3). Vertragsgegenstand der Vereinbarung war nach ihrem Wortlaut die Erteilung der ausschließlichen und dauerhaften Lizenz für die Verwendung des Know-how zur Herstellung, Weiterentwicklung und zum Vertrieb von Automessgeräten und Zusatzprodukten. Die GmbH wollte hierzu in M. eine Produktionsstätte errichten. Gemäß Nr. 2.2 des Vertrags sollte die Lizenz weltweit gelten und nach der Nr. 5.3 musste der Lizenznehmer die Unterlagen geheimhalten. Gemäß der Nr. 5.4 war der Lizenznehmer verpflichtet, Angestellte und Zulieferer in erforderlichem Umfan...