Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur elektronischen Einreichung der Klageschrift gilt auch bei Anbringung der Klage beim Finanzamt. Rechtsbehelfsbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht deshalb unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 1 FGO, weil sie unter anderem die Angabe enthält, dass eine Klage zum Finanzgericht ggf. auch als elektronisches Dokument eingereicht werden könne und dass die Voraussetzungen zu einer elektronischen Einreichung der Klageschrift in § 52a FGO sowie § 52d FGO geregelt seien.

2. § 52d Satz 2 FGO gilt nach Sinn und Zweck dieser Norm auch, wenn die Klageschrift nicht unmittelbar an das Finanzgericht, sondern an das Finanzamt abgesendet worden ist, welches die vorangegangene Einspruchsentscheidung erlassen hat.

3. § 47 Abs. 2 FGO betrifft nur die Frist für die Klageerhebung, nicht deren Form.

 

Normenkette

FGO § 47 Abs. 2, § 55 Abs. 1, §§ 52a, 52d

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Klage.

Der Kläger unterhielt in der Streitjahren 2017 bis 2020 einzelunternehmerisch einen Betrieb mit dem Unternehmensgegenstand …. Er beschäftigte ca. 40 Arbeitnehmer.

Im Jahr 2021 führte das Finanzamt B… beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Aufgrund der Ergebnisse der Außenprüfung erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger am 18. Februar 2022 unter Berufung auf § 42d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Haftungsbescheid über insgesamt xxxx EUR. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, fristgerecht Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 wies der Beklagte die Klägerseite darauf hin, dass im Einspruchsverfahren gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die verfahrensrechtliche Möglichkeit bestehe, den angefochtenen Haftungsbescheid zu Lasten des Klägers zu „verbösern” und dass nunmehr offene Abgaben- Nachforderungen in Höhe von insgesamt xxxxxx EUR im Raum stünden. Seitens des Klägers erfolgte hierzu keine Rückäußerung.

Mittels postalisch an den Prozessbevollmächtigten des Klägers adressierter Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2023 erhöhte der Beklagte die Haftungssumme auf insgesamt xxxxxx EUR. Die Einspruchsentscheidung ging am Montag, den 13. Juni 2023 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein (siehe Zustellurkunde der C… AG vom 13. Juni 2023).

In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u.a.: „Die Klage ist beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg …. schriftlich oder als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. ….. Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO”.

Am Dienstag, den 11. Juli 2023 ging die „per Kurier” übermittelte Klageschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers nebst Anlagen in Papierform beim Beklagten ein (siehe Eingangsstempel). Dieser übermittelte den Schriftsatz per Briefpost an das FG, wo er am Dienstag, den 18. Juli 2023 (siehe Eingangsstempel) einging.

Mittels Erörterungsschreiben vom 3. August 2023 forderte der Berichterstatter des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf, bis zum 31. August 2023 darzulegen und nachzuweisen, dass dieser sich rechtzeitig und ausreichend um die Einrichtung eines elektronischen Postfachs (künftig: beSt) für die Korrespondenz mit Behörden und Gericht bemüht habe. Wenn ihm dieser Nachweis nicht gelingen sollte, könne dies zur Behandlung der Klage als unzulässig führen. Denn er, der Prozessbevollmächtigte des Klägers, habe die Klage entgegen der für Steuerberater seit dem 1. Januar 2023 geltenden Bestimmung in § 52d Satz 2 FGO am 11. Juli 2023 als einfachen Brief in den Hausbriefkasten des Beklagten eingeworfen. Der Einwurf der Klageschrift beim Beklagten entspreche dabei hinsichtlich der Fristwahrung den Vorschriften der FGO (vgl. § 47 Abs. 2 FGO). Er, der Prozessbevollmächtigte, hätte die Klageschrift dem Beklagten aber nach der o. g. gesetzlichen Bestimmung auf elektronischem Weg zuleiten müssen (Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH bei juris zu § 52d FGO, sowie im Vorfeld bereits allgemein: Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52d FGO Rz. 1, Stand: Februar 2022).

Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 31. August 2023 Fristverlängerung für seine Gegenäußerung bis Ende September 2023, die ihm auch gewährt wurde. Ergänzend wies der Berichterstatter des Senats in seinem Schreiben vom 11. September 2023 auf den BFH-Beschluss vom 11. August 2023 – VI B 74/22 in juris hin.

Sämtliche Schreiben des FG an den Prozessbevollmächtigten wurden bis Ende September diesem per Briefpost zugeleitet, weil er noch nicht über ein elektronisches Postfach erreichbar war.

In seiner erstmals per beSt dem FG am 2. Oktober 2023 übermittelten Gegenäußerung vom 1. Oktober 2023 legt der Prozessbevollmächtigte des Klägers dar, dass es nach se...

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