Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gestattung der Entnahme von gefördertem Altersvorsorgevermögen der Ehefrau zur Tilgung eines Darlehens, das vom Ehemann für die Anschaffung oder Herstellung einer im gemeinschaftlichen Eigentum beider Ehegatten stehenden und von den Ehegatten gemeinsam genutzten Wohnung aufgenommen worden ist
Leitsatz (redaktionell)
Sind Ehegatten Miteigentümer einer selbstbewohnten Immobilie und ist lediglich der Ehemann Darlehensnehmer der bei Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Kredite, so ist nur der Ehegatte als Darlehensnehmer berechtigt, zur Tilgung dieser Kredite gefördertes Kapital im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu entnehmen, nicht aber die Ehefrau. Das gilt auch dann, wenn die Ehefrau eine Mithaftung übernommen hat, indem sie eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Bezug auf die Darlehen abgegeben und eine Grundschuld zur Sicherung der Darlehen auf ihr Eigentum aufgenommen hat. Der Umstand, dass die Ehefrau zunächst nicht Gesamtschuldnerin gewesen ist, kann nicht durch den nachträglichen, nicht mehr mit der Darlehensaufnahme in engem zeitlichen Zusammenhang stehenden Schuldbeitritt bzw. durch die Aufnahme der Ehefrau in die Darlehensverträge geheilt werden.
Normenkette
EStG § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 92b Abs. 1; BGB §§ 488, 765
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist verheiratet und erwarb zusammen mit ihrem Ehemann mit Kaufvertrag vom 19. September 1998 ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück zum Preis von 558.000 DM. Beide Eheleute sind in das Grundbuch eingetragen und bewohnen die Immobilie selber. Zuvor hatten die Eheleute in einer ihnen zu gleichen Teilen gehörenden Immobilie gewohnt, die sie mit Kaufvertrag vom 20. September 2000 zum Kaufpreis in Höhe von 488.000 DM verkauft haben.
Der Ehemann der damals nicht berufstätigen Klägerin hatte zur Finanzierung der derzeit bewohnten Immobilie mehrere Darlehen bei der B… Bank aufgenommen, die zugleich der Umfinanzierung für die im Zuge der ersten Immobilie aufgenommenen Darlehen dienten. Die Klägerin wurde nicht Schuldnerin der Darlehen, verpflichtete sich aber zu selbstschuldnerischen Bürgschaften. Zur weiteren Sicherung der Darlehen wurden zugunsten der Bank Grundschulden auf die Immobilie eingetragen. Es handelte sich um folgende Darlehen: 08 50992844 (Verwendungszweck: Umfinanzierung), 09 50992844 (Umfinanzierung), 10 50992844 (Finanzierung Nebenkosten für EFH), 12 50992844 (Umfinanzierung), 13 50992844 (Umfinanzierung).
Die Klägerin beantragte im Juli 2020 – ebenso wie der Ehemann für seinen Altersvorsorgevertrag – die Entnahme von Kapital aus ihrem Altersvorsorgevertrag bei der C… GmbH (Nummer …) zur Sondertilgung der Darlehen bei der B… Bank.
Die Beklagte lehnte den Antrag am 30. September 2020 mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht unmittelbare Darlehensschuldnerin, weswegen für sie keine wohnungswirtschaftliche Verwendung gegeben sei.
Im sich anschließenden Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, § 92a Einkommensteuergesetz – EStG – fordere nicht die unmittelbare Schuldnerschaft für die zu tilgenden Darlehen. Eine derartige Auslegung würde dem Sinn und Zweck der geförderten Altersvorsorge widersprechen. Der Finanzierungszusammenhang ergebe sich bereits aus den übernommenen Bürgschaften und den Grundschuldlasten. Da sie im Zeitpunkt der Finanzierung nicht berufstätig gewesen sei, sei sie nach den damaligen Regularien der Bank nicht als Darlehensnehmerin in Betracht gekommen.
Die Beklagte wies den Einspruch mit der Begründung zurück, es komme wesentlich auf die zivilrechtliche Stellung bei den abzulösenden Darlehen an. Zivilrechtlicher Schuldner sei nur der Ehemann. Die Klägerin hafte lediglich für die – für sie fremde – Schulden und könne erst in Anspruch genommen werden, wenn der Ehemann als Hauptschuldner ausfalle. Auch die Grundschuld gewähre lediglich die etwaige Duldung im Fall einer Zwangsvollstreckung. Unbeachtlich sei, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann in einer Zugewinngemeinschaft lebe, da die Vermögensmassen weiter getrennt blieben.
Ihren bisherigen Vortrag wiederholend betont die Klägerin im Klageverfahren, die jetzt abzulösenden Darlehen seien für die von ihr selbstgenutzte Immobilie aufgenommen worden, so dass der Wortlaut des Gesetzes erfüllt sei. Dass sie – die Klägerin – nur als Bürgin vertraglich aufgenommen wurde, sei einer Formalität geschuldet gewesen. Dass dies für die später eingeführte geförderte Altersvorsorge bedeutsam werden könne, sei bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen. Durch die Haftung stehe sie faktisch einer Darlehensnehmerin gleich. Sinn und Zweck der geförderten Altersvorsorgezulage sei es, dass das Kapital für die selbstgenutzte Immobilie verwandt werde. Zu berücksichtigen sei, dass sie – die Klägerin – seit Mai 2021 im Zuge der Anschlussfinanzierung nun auch als Darlehensnehmerin in die Verträge aufgenommen worden sei. Die Darlehen bestünden noch und die...