Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Pflicht von Steuerberatern zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt). fehlende Funktionsfähigkeit der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises des Steuerberaters als Umstand im Sinne des § 52d Satz 3 FGO. Ersatzeinreichung nach mehr als sechs Wochen nicht mehr „unverzüglich” im Sinne des § 52d Satz 4 FGO. unter Missachtung von § 52d FGO eingereichte Prozesserklärung unwirksam. Anwendungsbereich des § 52d FGO und Konkurrenz zur Wiedereinsetzung nach § 56 FGO. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 13/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Beginn der Pflicht von Steuerberatern zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) gemäß § 52d Satz 2 FGO kann es nicht darauf ankommen, wann der einzelne Steuerberater sich erfolgreich registriert hat und das beSt für ihn tatsächlich eingerichtet worden ist oder wann die letzten Registrierungsbriefe im Rahmen des erstmaligen System-Roll-outs von der Bundessteuerberaterkammer versandt worden sind.
2. Eine aktive Nutzungspflicht gemäß § 52d Satz 2 FGO besteht spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Steuerberater seinen Registrierungsbrief von der Bundessteuerberaterkammer erhalten hat. War die erstmalige Registrierung im Nutzerkonto der Steuerberaterplattform nicht sofort möglich, da die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises nicht funktionierte, so verhindert dieser Umstand – die fehlende Funktionsfähigkeit der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises des Steuerberaters – im Sinne des § 52d Satz 3 FGO aus vorübergehenden technischen Gründen eine elektronische Übermittlung.
3. Gründe, die ohne besondere Umstände erst mehr als sechs Wochen nach der Ersatzeinreichung mitgeteilt werden, werden nicht „unverzüglich” im Sinne des § 52d Satz 4 FGO glaubhaft gemacht (vgl. FG Münster, Urteil v. 7.12.2022, 9 K 1957/22 E,G).
4. Eine von einem Steuerberater unter Verstoß gegen § 52d FGO eingereichte Prozesserklärung ist nicht wirksam (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil v. 20.3.2023, 7 K 183/22; FG Münster, Beschluss v. 22.2.2022, 8 V 2/22).
5. Hat der Bevollmächtigte die Nichteinhaltung der nach § 52d FGO gebotenen Form der Klageerhebung – und damit letztlich die Nichteinhaltung der Klagefrist – damit erklärt, dass sein Personalausweis zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht über die erforderliche Onlinefunktion verfügt habe und er sich zunächst einen neuen PIN für den Ausweis habe beschaffen müssen, so kann er mit diesem Vortrag von vornherein nicht im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehört werden. Handelt es sich bei dem Hindernis im Sinne des § 56 FGO um einen Umstand, der zugleich eine vorübergehende technische Unmöglichkeit im Sinne des § 52d Satz 3 FGO begründet, ist § 56 FGO im Ergebnis grundsätzlich nicht einschlägig.
6. Der Klageschriftsatz fällt unter den sachlichen Anwendungsbereich des § 52d FGO. Die Norm erfasst über den Wortlaut hinaus auch bestimmende Schriftsätze und somit die Klageschrift, da zumindest über § 155 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 253 Abs. 4 ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden sind.
Normenkette
FGO §§ 52a, 52d Sätze 1-4, § 56 Abs. 1, 2 S. 1, § 155 S. 1; StBerG § 86c Abs. 1, § 86d Abs. 1-6, § 157e; ZPO §§ 85, 253 Abs. 4
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Aufgrund einer Prüfungsmitteilung über die Ergebnisse einer Lohnsteuer-Außenprüfung erließ der Beklagte gegenüber den Klägern am 24. Juni 2022 geänderte Bescheide zur Einkommensteuer für die Jahre 2018 und 2019.
Über ihren Prozessbevollmächtigten, den Steuerberater C…, erhoben die Kläger gegen diese Bescheide Einsprüche, die der Beklagte mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2023 als unbegründet zurückwies. Die Einspruchsentscheidung ging ausweislich des Eingangsstempels auf der zu den Gerichtsakten eingereichten Fotokopie am 17. Januar 2023 beim Bevollmächtigten ein.
Die Kläger haben daraufhin mit Telefax ihres Bevollmächtigten vom 15. Februar 2023 Klage erhoben. Ein inhaltsgleicher Schriftsatz des Bevollmächtigten ist am 17. Februar 2023 per Post beim Finanzgericht eingegangen. Die Schriftsätze enthalten keine Angaben dazu, weshalb sie per Telefax bzw. Post eingereicht wurden.
Im Rahmen der Eingangsbestätigung vom 23. Februar 2023 hat der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass Klageschriftsätze, die durch einen Steuerberater eingereicht werden, gemäß § 52d Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln seien. Zudem hat er auf die Möglichkeit einer Ersatzeinreichung nach § 52d Satz 3 FGO und das Erfordernis der unverzüglichen Glaubhaftmachung nach § 52d Satz 4 FGO hingewiesen. Eine Reaktion hierauf ist zunächst ausgeblieben.
Mit weiterer Verfügung vom 4. April 2023 hat de...