Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückseinbringung in eine Gesamthand. Formerfordernis bei Aufhebung des Einbringungsvertrages. Beginn der Fünfjahresfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG. Verminderung des Anteils des Einbringenden als rückwirkendes Ereignis. Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufhebung eines Vertrages über eine Grundstückseinbringung kann formlos erfolgen, so lange ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum am Grundstück noch nicht entstanden ist. Ein solches liegt erst dann vor, wenn die Auflassung erklärt und entweder der Antrag auf Eigentumsumschreibung vom Erwerber beim Grundbuchamt gestellt oder eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen oder vom Erwerber beim Grundbuchamt beantragt ist.
2. Für den Zeitpunkt der Aufgabe oder Verminderung des Anteils des grundstückseinbringenden Gesamthänders ist auf die tatsächliche Einschränkung der Gesellschafterstellung und der damit verbundenen dinglichen Mitberechtigung am Grundstück abzustellen.
3. § 5 Abs. 3 GrEStG ist keine Nachversteuerungsvorschrift. Vielmehr stellt die Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb der Fünfjahresfrist ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar.
4. Nicht anzeigepflichtig nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG sind Fälle, in denen der grundstückseinbringende Gesamthänder seine gesamthänderische Mitberechtigung nicht aufgibt und auch kein anderer Gesellschafter beitritt, sich aber die Beteiligungsverhältnisse am Vermögen der Gesamthand, etwa durch Vereinbarungen mit den übrigen Gesamthändern oder auch durch Veränderungen im Bereich der Kapitalkonten, verschieben.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, 3, § 19 Abs. 2 Nr. 4; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 2; BGB § 311b
Nachgehend
Tenor
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.11.2014 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.06.2015 sowie der Verspätungszuschlag vom 20.11.2014 werden aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung der Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit den Gesellschaftern B. und C., wendet sich unter Geltendmachung eines Steuerfreistellung-Tatbestandes gegen eine Heranziehung zur Grunderwerbsteuer.
Der Gesellschafter B. war Alleineigentümer des Grundstückes D.-straße in E..
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31.07.2008 – URNr. …/2008, Notar F., E. – veräußerte er einen Miteigentumsanteil zu 1/25 an den – von ihm vollmachtlos vertretenen – Gesellschafter C..
Mit der im Streitfall besteuerten weiteren notariellen Urkunde vom selben Tag, dem 31.07.2008 – URNr. …/2008 – erklärten der Gesellschafter B. und der Gesellschafter C., Letzterer vollmachtlos vertreten durch Ersteren, sie beabsichtigten, in Zukunft das Grundstück gemeinsam zu halten und zu entwickeln. Hierzu erfolge die Gründung einer GbR – der Klägerin –, in die das Grundstück eingebracht werde. Unter I. der Urkunde wurde ein Gesellschaftsvertrag geschlossen. Die Beteiligung an der Gesellschaft betrage 48/50 (Gesellschafter B.) und 2/50 (Gesellschafter C.). Unter II. wurden die 24/25 und 1/25 Miteigentumsanteile in die Klägerin eingebracht und die Auflassung erklärt.
Am 13.08.2008 genehmigte der Gesellschafter C. die Erklärungen in der Urkunde URNr. …/2008.
Durch Bescheid an die Klägerin vom 30.03.2009 stellte der Beklagte den Erwerbsvorgang vom 31.07.2008 – URNr. …/2008 – nach § 5 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei. Hingewiesen wurde darauf, dass die Steuervergünstigung insoweit nicht anzuwenden sei, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von 5 Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindere. Änderungen seien dem Finanzamt anzuzeigen. Ausgehend von der Steuerakte wurde dieser Bescheid der Klägerin nicht bekannt gegeben; laut dem Postvermerk war der Empfänger nicht zu ermitteln.
Mit Schreiben vom 11.08.2014 nahm der Beklagte gegenüber der Klägerin auf den Bescheid vom 30.03.2009 Bezug und erklärte nun zu prüfen, ob sich der Anteil des Veräußerers innerhalb von 5 Jahren vermindert habe.
In dem am 01.09.2014 ausgefüllten Antwortformular erklärte eine Steuerberatungsgesellschaft für die Klägerin, die Vermögensbeteiligung habe sich nicht vermindert. Beigefügt war eine Vereinbarung der Gesellschafter vom 22.12.2008, wonach der Gesellschafter B. einen 23/50 Anteil an der Klägerin zum 01.01.2009 auf den Gesellschafter C. übertrug; danach sollten beide Gesellschafter jeweils 25/50 der Anteile halten. Der Kaufpreis sollte...