rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auch bei Haushaltsaufnahme eines volljährigen syrischen Flüchtlings im Wege eines Mietvertrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nimmt eine alleinerziehende Mutter neben ihren Kindern zwei syrische Brüder, von denen einer volljährig und einer minderjährig ist, in ihren Haushalt auf, so ist die gesetzliche Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft (§ 24b Abs. 3 Satz 2 EStG) mit dem volljährigen Syrer widerlegt, wenn dieser als Mieter im Haushalt wohnt, als Mieter typischerweise nicht an der Haushaltsführung beteiligt ist und typischerweise auch nicht verpflichtet ist, über seine Miete hinaus finanzielle Beiträge zum Haushalt der Steuerpflichtigen zu leisten.

2. Die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 3 Satz 2 erfasst lediglich einen Volljährigen, der nicht als Mieter und/oder Flüchtling im Haushalt lebt, sondern auf Grund einer persönlichen Beziehung zum Steuerpflichtigen wie z. B. als Freund oder Freundin dort wohnt und sich typischerweise am Haushalt finanziell oder tatsächlich beteiligen wird.

 

Normenkette

EStG § 24b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 4

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23. November 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. November 2019 wird dahingehend zu ändern, dass insgesamt ein Alleinerzieher-Entlastungsbetrag in Höhe von EUR 2.148,- berücksichtigt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Lehrerin und erzielte im Streitjahr 2016 neben ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Klägerin ist Mutter zweier Kinder, die in den Jahren 1995 und 1998 geboren wurden und die sich im Jahr 2016 in der Berufsausbildung bzw. im Studium befanden. Die Klägerin wohnte mit ihren beiden Kindern in einem Einfamilienhaus in B…, in dem die beiden Kinder auch gemeldet waren. Eigentümer des Einfamilienhauses, das eine Fläche von 133,67 m² aufwies, waren die Klägerin und ihr früherer Ehemann; der frühere Ehemann wohnte nicht mehr in dem Einfamilienhaus.

Ab dem 01. August 2016 vermietete die Klägerin zwei in dem Einfamilienhaus befindliche Zimmer mit einer Größe von jeweils 11 m² an zwei syrische Brüder, C… und D…. C… war zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig, nicht aber der im Jahr 2000 geborene D…. Nach den beiden Mietverträgen durften beide Syrer das Bad, die Küche und das Wohnzimmer mitbenutzen. Die monatliche Miete betrug jeweils EUR 197,76 EUR. Die beiden Syrer erhielten Sozialleistungen nach dem SGB II; das Gericht nimmt auf die entsprechenden Bewilligungsbescheide vom 20. Oktober 2016 und 16. Dezember 2016 Bezug (Bl. 40 f. der Streitakte).

Das zuständige Jugendamt erteilte der Klägerin am 29. Juli 2016 eine Pflegeerlaubnis nach § 44 SBG VIII für D…; auf die Bescheinigung des Landrats E… vom 09. März 2020 wird Bezug genommen. Die Klägerin erhielt für die beiden Syrer kein Kindergeld; das Gericht nimmt auf die entsprechenden Ablehnungsbescheide Bezug (Bl. 38 und 39 der Gerichtsakte).

Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 2.502, der auf der Vermietung der beiden Zimmer an die syrischen Brüder beruhte. Ferner beantragte sie einen Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nach § 24b EStG für die zwei eigenen Kinder.

Im Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23.11.2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf EUR 9.442,- fest und berücksichtigte dabei zwar den geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerzieher in Höhe von EUR 2.148, erkannte jedoch den Verlust aus Vermietung und Verpachtung nur in Höhe von EUR 306 an.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wies der Beklagte darauf hin, dass er den geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerzieher ab 01. August 2016 nicht gewähren werde, weil mit C… noch eine weitere volljährige Person im Haushalt gewohnt und eine Haushaltsgemeinschaft mit der Klägerin begründet habe. Die Klägerin nahm den Einspruch nicht zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom 04. November 2019 erhöhte der Beklagte die Einkommensteuer um EUR 23,- auf EUR 9.469,-. Zwar erkannte der Beklagte nunmehr einen Verlust aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 828,– an; er berücksichtigte aber den Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nur noch in Höhe von EUR 1.253,- (EUR 2.148,- × 7/12) für die Zeit bis zum 31. Juli 2016.

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben, die sie wie folgt begründet: Sie habe keinen gemeinsamen Haushalt mit dem volljährigen C… geführt, wie sich aus dem Tagesablauf des C… und aus ihrem Tagesablauf ergebe, die beide unabhängig voneinander verlaufen seien; das Gericht nimmt auf die Aufstellung der Klägerin Bezug (Bl. 21 sowie Bl. 24 und 25 der Streitakte). Die beiden Syrer hätten sich auch nicht an der Haushaltsführung beteiligt, da sie im Islam erzogen worden seien und daher weder gewohnt noch bereit gewesen seien, im Haushalt zu helfe...

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