Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Strafverteidigungskosten für Geschwister als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger für die Verteidigung eines wegen einer Straftat in einem ausländischen Rechtsstaat angeklagten Verwandten in der Seitlinie trägt, können in der Regel nicht als aus sittlichen Gründen zwangsläufig angesehen werden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2 S. 1, Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Strafprozesskosten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz –EStG-.
Die Kläger erzielten im Streitjahr zusammen Einkünfte von 193 669,00 DM, davon die Klägerin als Schullehrerin u. a. für das Fach „Ethik“ alleine Einkünfte in Höhe von 90 798,00 DM. Die Klägerin hat einen im Streitjahr 52 Jahre alt gewordenen, jüngeren Bruder, xxx. Dieser wurde im Jahre 2000 auf dem Flughafen in Tokio bei der Einreise wegen Rauschgiftschmuggels festgenommen und in dem anschließenden Strafverfahren durch ein japanisches Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren sowie zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Freiheitsstrafe wird – auch noch im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung in diesem Rechtsstreit - in einem japanischen Gefängnis verbüßt.
Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen ihren Bruder wurde von der Klägerin über die in Tokio ansässige (deutsche) Anwaltssozietät xxx ein Wahlverteidiger bestellt, der später von dem Strafgericht zugleich als Pflichtverteidiger bestellt wurde, nachdem für den Bruder zuvor ein (japanischer) Pflichtverteidiger mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt worden war.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2000 machten die Kläger Aufwendungen für den Bruder der Klägerin in Höhe von 20 160,33 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Aus der vorgelegten anwaltlichen Gebührenrechnung ist ersichtlich, dass fünf Anwaltsbesuche bei dem inhaftierten Bruder im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sowie zwei Verhandlungstermine vor dem Strafgericht abgerechnet worden sind, ferner Aufwendungen für persönliche Dinge wie z. B. für einen Morgenmantel und für ein deutsches Nachrichtenmagazin. Die Klägerin gab an, durch die Bestellung des Wahlverteidigers anstelle des zur Verfügung gestellten japanischen Pflichtverteidigers habe sie die Chancen ihres Bruders im Strafverfahren verbessern wollen. Dies habe insbesondere für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegolten. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass ihr Bruder seit Jahren psychisch schwer krank sei, weshalb es ihm – ähnlich einem Kind – nicht möglich sei, die Folgen seines Tuns für sich und andere richtig einzuschätzen.
Im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 1. November 2001, der gemäß § 164 Abgabenordnung –AO- unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, ließ der Beklagte die Strafverteidigerkosten außer Ansatz, da die Klägerin zur Übernahme der Kosten weder rechtlich noch sittlich verpflichtet gewesen sei. Die Einkommensteuer wurde auf 52 242,00 DM festgesetzt. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2001 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben; die Strafverteidigerkosten blieben weiterhin unberücksichtigt.
Hiergegen legte (allein) die Klägerin Einspruch ein. Die Übernahme der Kosten für einen selbst gewählten Verteidiger sei, so die Klägerin, unabwendbar gewesen im Sinne des § 33 EStG. Insbesondere habe sie sich dazu moralisch verpflichtet gefühlt, da ihre Eltern nicht mehr lebten und sie im Gegensatz zu ihrem Bruder in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebe. Hingegen habe ihr Bruder bis zu seiner Verhaftung von der Sozialhilfe gelebt. Die Verpflichtung sei auch deshalb unabweisbar gewesen, da im Falle einer Verurteilung mit schlimmen gesundheitlichen Folgen bis hin zum Suizid zu rechnen gewesen sei. Der Bruder habe in der Vergangenheit nämlich schon verschiedene Selbstmordversuche unternommen.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Als lediglich in der Seitenlinie mit ihrem Bruder Verwandte, so der Beklagte, habe die Klägerin keine rechtliche Verpflichtung gehabt, dessen Verteidigerkosten zu übernehmen. Auch ein sittlicher Grund hierzu habe nicht bestanden, da weder eine Sanktion im sittlichmoralischen Bereich gedroht noch eine akute Notlage des Bruders vorgelegen habe. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setze voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil aller billig und gerecht denkenden Menschen zu der Leistung verpflichtet halten könne. Dabei reiche es nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich sei, vielmehr müsse die Sittenordnung das Handeln erfordern. Allein das subjektive Gefühl, verpflichtet zu sein, reiche nicht aus, wenn die Sittenordnung das Handeln nicht erfordere. Die Klägerin sehe sich hier zwar aufgrund der psychischen Erkrankung des Bruders und ihrer finanziell gesicherten Position verpflichtet, die Kosten der Strafverteidigung zu übernehmen. Dies sei nachvollziehbar und verständlich, reiche aber für ei...