rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerschuld des Leistungsempfängers bei Bauleistungen. irrtümliche Annahme. ergänzende Vertragsauslegung. abtretbarer Anspruch des leistenden Unternehmers auf Zahlung der Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache erbringt nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 5 S. 2 UStG 2011 führt.
2. Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schulde, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist in unionsrechtskonformer Auslegung des § 27 Abs. 19 S. 1 und 2 UStG eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nur dann zulässig ist, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.
3. Dem Bauunternehmer steht in einem solchen Fall (Leitsatz 2) aufgrund ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger die Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gem. § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.
Normenkette
UStG 2011 § 27 Abs. 19, § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1, Abs. 5 S. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Änderung eines Umsatzsteuerbescheides auf der Grundlage des § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung von Parkett- und Holzfußböden sowie der Vertrieb und der Handel mit dazu erforderlichen Materialien aller Art ist.
Die Klägerin erbrachte im Streitjahr 2011 u.a. Umsätze an die W… KG, die in diesem Zusammenhang als Bauträger tätig war. Über die erbrachten Leistungen rechnete die Klägerin mit zwei Abschlagsrechnungen vom … (Re.-Nr. 347) und vom … (Re.-Nr. 353) über je … Euro netto ab. In diesen Rechnungen behandelte sie die erbrachten Leistungen ausdrücklich nach § 13b UStG, sodass sie keine Umsatzsteuer auswies.
In dem den genannten Rechnungen zugrunde liegenden Bauvertrag vom … war unter § 3 eine Nettovergütung vereinbart und ausgeführt worden, dass die Zahlung der vereinbarten Vergütung netto erfolge, weil nach § 13b UStG der Auftraggeber als Leistungsempfänger Steuerschuldner sei.
Mit Bescheid vom …2014 wurde die Umsatzsteuer 2011 gegenüber der Klägerin auf … Euro festgesetzt.
Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 zum Aktenzeichen V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) stellte die W… KG mit Schreiben vom 07.08.2014 beim Beklagten u.a. bezüglich ihres Umsatzsteuerbescheids 2011 Anträge auf Änderung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) und auf Erstattung der als Bauträger gemäß § 13b UStG erklärten Umsatzsteuerbeträge. Dieser Antrag umfasste u.a. die Steuer auf die Leistungen der Klägerin, die mit den o.g. Abschlagsrechnungen abgerechnet worden waren.
Der BFH hatte in dem genannten Urteil vom 22.08.2013 entschieden, dass eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG nicht eingreife, wenn der Leistungsempfänger die empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung im Sinne von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz verwendet habe. Damit bleibe bei Leistung an einen Bauträger der Leistende Umsatzsteuerschuldner.
Mit Schreiben vom …2016 informierte der Beklagte die Klägerin über den Antrag der W… KG und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Zugleich wies der Beklagte darauf hin, dass die Klägerin nunmehr Rechnungen mit Umsatzsteuer auszustellen und die geschuldete Umsatzsteuer anzumelden habe. Es bestehe die Möglichkeit, den sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger bezüglich der Umsatzsteuer an das Land Bremen abzutreten. Eine solche Abtretung wirke an Zahlungs statt und führe damit zum Erlöschen des Umsatzsteueranspruchs, wenn die Klägerin der W… KG erstmalige oder geänderte Rechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstelle, die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibe, dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt werde, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr habe und die Klägerin ihrer (weiter ausgeführten) Mitwirkungspflicht nachkomme.
Nachdem die Klägerin auf dieses Anschreiben trotz Erinnerung vom … nicht reagiert hatte, änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2011 durch Bescheid vom …2017 in der Weise, dass er die Umsätze zum allgemeinen Steuersatz um … Euro (2 × … Euro) erhöhte und die steuerpflichtigen Umsätze im...