rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine körperschaft- bzw. gewerbesteuerrechtliche Organschaft bei nur 50 %iger Beteiligung des vermeintlichen Organträgers an der potentiellen Organgesellschaft und lediglich schuldrechtlichem Stimmbindungsvertrag mit dem anderen Gesellschafter der „Organgesellschaft”
Leitsatz (redaktionell)
1. Für eine finanzielle Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Satz 1 KStG – hier: als Voraussetzung für eine gewerbesteuerliche Organschaft – genügt es nicht, wenn der bürgerlich-rechtlich zu genau 50 % an der vermeintlichen Organgesellschaft beteiligte „Organträger” nur aufgrund eines schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrags zwischen ihm und dem Mitgesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte in der Organgesellschaft hat, kraft der er die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung in der Organgesellschaft maßgeblich bestimmen kann, und wenn er auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer der von dem Mitgesellschafter gehaltenen Anteile an der Organgesellschaft ist (vgl. Rechtsprechungsnachweise zum wirtschaftlichen Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen; Abgrenzung zur BFH-Rspr. zur finanziellen Eingliederung bei einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft).
2. Die Stimmrechte bei der Organgesellschaft müssen dem Organträger als aus seinem (bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentum an dem Anteil an der Organgesellschaft fließend zuzurechnen sein. Bloß schuldrechtlich vereinbarte Ausweitungen bzw. Einschränkungen hinsichtlich der Stimmrechtsausübung, z. B. eine Stimmrechtsvollmacht, eine Stimmrechtsvereinbarung, ein Stimmrechtsverzicht, eine Stimmrechtsleihe oder eine Stimmrechtsbindungsverpflichtung, sind für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG unmaßgeblich (Anschluss an z. B. Niedersächsisches FG, Urteil v. 7.5.1990, VI 626/88; FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid v. 16.6.2015, 1 K 1109/13). Es können auch nicht die Beteiligungen und Stimmrechte von Angehörigen i. S. d. § 15 AO zusammengerechnet werden.
3. Ein schuldrechtlicher Stimmbindungsvertrag betreffend eine GmbH führt regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl. BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R).
Normenkette
KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, S. 2, § 17 S. 1; GewStG § 2 Abs. 2 Sätze 1-2; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Streitjahr 2007 die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft vorlagen.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb und der Betrieb eines oder mehrerer … Restaurants in ….
Mit notarieller Urkunde vom 6. Dezember 2001 … gründete die im Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragene B-GmbH durch ihren alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreiten Geschäftsführer, den Kaufmann M., die Klägerin und übernahm das Stammkapital der Klägerin i.H.v. 25.000 EUR. In derselben notariellen Urkunde wurde M. zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der Klägerin bestellt.
Ebenfalls am 6. Dezember 2001 beurkundete der Notar … den von M. und der weiteren Gesellschafterin der B-GmbH, der Kauffrau D., beschlossenen Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom selben Tag zwischen der Klägerin und der B-GmbH. In derselben notariellen Urkunde beurkundete der Notar … die in der von M. am 6. Dezember 2001 abgehaltenen Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossene Zustimmung zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-GmbH.
Die Klägerin sowie der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der B-GmbH und die Zustimmung der Gesellschafterversammlung am 6. Dezember 2001 wurden am 3. April 2002 ins Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragen. Der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Klägerin und der B-GmbH und die Zustimmung der Gesellschafterversammlung am 6. Dezember 2001 wurden auch ins Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragen.
Der vom 6. Dezember 2001 datierende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-GmbH hat folgenden Wortlaut:
Die [Klägerin] i. Gr. []unterstellt sich der Leitung der B-GmbH. Die B-GmbH ist berechtigt, den Geschäftsführern der [Klägerin] i. Gr. Weisungen für die Geschäftsführung zu erteilen.
Weisungen werden ausschließlich schriftlich durch den Geschäftsführer erteilt.
Die [Klägerin] i. Gr. ist während der Vertragsdauer verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an die B-GmbH abzuführen. Als Gewinn gilt der um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den in gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklagen einzustellenden Betrag verminderte Jahresüberschuß, der ohne die G...