Entscheidungsstichwort (Thema)
Beauftragung eines anderen Finanzamts mit der Durchführung einer Außenprüfung als Ermessensentscheidung des beauftragenden Finanzamts
Leitsatz (redaktionell)
1. Das für die Besteuerung eines Steuerpflichtigen zuständige Finanzamt hat bei der Entscheidung über die Beauftragung eines anderen Finanzamts mit der Durchführung einer Außenprüfung gem. § 195 Satz 2 AO neben sachlichen Gründen auch die berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
2. Stellt die beauftragte Behörde im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung eigene Ermessenserwägungen hinsichtlich ihrer Beauftragung an, indem sie die Erwägungen der beauftragenden Behörde ergänzt oder gar ersetzt, liegt ein Ermessensfehler vor, der zur Aufhebung der Prüfungsanordnung führt.
Normenkette
AO §§ 5, 195 S. 2, § 366
Tenor
Die Prüfungsanordnung vom 09. Dezember 2009 und die hierzu ergangene Einsruchsentscheidung vom 24. März 2010 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des gegen ihn zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.
Die Klägerin wurde im Jahr 1990 unter der Firma B GmbH mit dem Sitz in M. gegründet. Der Gegenstand des Unternehmens beinhaltet laut Handelsregistereintragung seither unverändert folgende Bereiche: Handel mit Industrieerzeugnissen und landwirtschaftlichen Produkten. Die Gesellschaft tritt als Mittler bei Bartergeschäften auf und übernimmt den Ex- und Import für oben genannte Waren. Die Gesellschaft führt Beratungen, Projektierungen, Montagen, Wartung und Reparaturen auf dem Gebiet der Energieerzeugung, der Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik durch. Die Gesellschaft arbeitet auf dem Gebiet der Nutzung von umweltfreundlichen alternativen Energien und erstellt Energiekonzepte und Energiesparprogramme. Die Gesellschaft kann sich an anderen Gesellschaften beteiligen, um die oben genannten Gesellschaftsziele zu erreichen.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 13. Dezember 2002 wurde die Firma in A GmbH geändert.
Die Gesellschaft ist bis heute bei Handelsregister B des Amtsgerichts S. unter der Nummer HRB … eingetragen. Als Sitz ist nach wie vor M. eingetragen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte dem Finanzamt M. I mit Schreiben vom 19. März 2008 mit dem Betreff „Sitzverlegung” mit, dass anlässlich einer „Geschäftsführerzusammenkunft” am 5. März 2008 entschieden worden sei, den „Sitz der Geschäftsleitung” nach H. zu verlegen. Der „Sitz der Geschäftsleitung” befinde sich ab dem 17. März 2008 in 22179 H., … Das Finanzamt wies mit Schreiben vom 10. November 2008 darauf hin, dass die Sitzverlegung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden müsse und bat um die Übersendung des entsprechenden Beschlusses. In einem weiteren Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12. Dezember 2008 führte das Finanzamt M. I aus, dass man festgestellt habe, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin nunmehr dort befinden solle, wo auch der Prozessbevollmächtigte Kanzleiräume habe. Eine durch das Finanzamt H. durchgeführte Umsatzsteuernachschau habe ergeben, dass die Klägerin keine Büroräume unter der Adresse … in H. unterhalte. Telefonisch sei sie dort auch nicht zu erreichen. Entsprechendes sei vielmehr unter der Adresse in M. der Fall. Im Internet sei als Firmensitz ebenfalls M., …, angegeben.
Der Prozessbevollmächtigte reichte die Kopie des Gesellschafterbeschlusses vom 5. März 2008 nach (Schreiben vom 11. Februar 2009). Der Beschluss lautet (auszugsweise) wie folgt:
Die Geschäftsführer der B GmbH vertreten durch den Herrn B. L., Herrn P. L. und Herrn Dr. V. H. fassen folgenden:
Anlässlich der Gesellschafterversammlung am 05.03.08 in B. NL wurde beschlossen den Sitz der Geschäftsführung nach H. zu verlegen. […]
B., den 05.03.08
Der Beschluss ist von den eingangs des Beschlusses genannten Personen unterschrieben. Der Prozessbevollmächtigte erläuterte hierzu, dass B. L. und P. L. Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin, der A International BV, seien. Somit sei der Beschluss tatsächlich von allen Gesellschaftern unterzeichnet worden. Ergänzend führte er aus, dass die maßgeblichen Beschlüsse der Gesellschaft überwiegend in H., …, aber teilweise auch in den Niederlanden in …, getroffen würden.
Den vom Beklagten vorgelegten Akten ist zu entnehmen, dass sich das Finanzamt M. I um eine „Aktenabgabe” an das Finanzamt H. bemühte. Dieses erklärte sich schließlich zur Übernahme bereit und teilte mit Schreiben vom 4. November 2008 dem Finanzamt M. I die Steuernummer mit, unter der die Klägerin bei ihm geführt werde (…). Die Aktenübernahme erfolgte am 17. April 2009.
Aus den vom Beklagten – auch...