rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung der Fälligkeit einer Umsatzsteuervorauszahlung bei Einzelfristverlängerung zur Abgabe einer Voranmeldung. Erlass der wegen fehlenden Hinausschiebens der Fälligkeit von Umsatzsteuervorauszahlungen bei Einzelfristverlängerung entstandenen Säumniszuschläge
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine stillschweigende Einzelfristverlängerung für die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung gem. § 109 AO beinhaltet keine Verlängerung der Frist für die Entrichtung der Steuer entsprechend den für eine Dauerfristverlängerung geltenden Vorschrift des § 18 Abs. 6 UStG i. V. m. § 46 UStDV. Die Fälligkeit richtet sich dann nach dem Abgabezeitpunkt der Voranmeldung, sofern sie vor der Ende der 4-wöchigen Fristverlängerung abgegeben wird.
2. Im Verfahren wegen des Erlasses von Säumniszuschlägen aufgrund der zwar vor Ablauf der gem. § 109 AO (einzel-)verlängerten Abgabefrist für die Voranmeldung, aber gem. § 18 Abs. 1 S. 3 UStG 2005 verspätet geleisteten Vorauszahlung ist zu prüfen, ob die Festsetzung nicht unbillig ist, weil eine Vergleichbarkeit mit Steuerzahlern besteht, die eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Voranmeldung und der Bezahlung erhalten haben bzw. die Möglichkeit einer Stundung nach § 222 AO besteht.
3. Bei Verneinung der Möglichkeiten zur Rechtsforbildung bzw. zur Anwendung des § 222 AO bei einer Einzelfristverlängerung ist zu prüfen, ob nach dem mutmaßlichem Willen des Gesetzgebers das Hinausschieben der Fälligkeit tatsächlich nur in Fällen einer Dauerfristverlängerung, nicht aber bei einer Einzelfristverlängerung zu rechtfertigen ist.
Normenkette
AO §§ 109, 240, 222, 227, 5; UStG § 18 Abs. 1 S. 3, Abs. 6; UStDV § 46 S. 1
Tenor
Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 10. Mai 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 wird der Beklagte verpflichtet, über den Erlass der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2010 eine stillschweigende Einzelfristverlängerung bis zum 10. Februar 2010, reichte diese aber schon am 5. Februar 2010 ein und überwies den Unterschiedsbetrag am 9. Februar 2010. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuervoranmeldung am 3. März 2010 zu und verrechnete zugleich Säumniszuschläge von 3.802 EUR. Wegen dieser Säumniszuschläge beantragte die Klägerin einen Erlass aus sachlichen Gründen, den der Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2010 und – nach fristgerechtem Einspruch – mit Einspruchsbescheid vom 20. Juli 2010 ablehnte.
Dagegen richtet sich die Klage vom 23. August 2010.
Die Klägerin meint, ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung über den Erlass sei – unabhängig von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Säumniszuschläge – zulässig und begründet.
Zwar hält sie die Festsetzung auch weiterhin für rechtswidrig, weil die Gutschrift auf dem Konto des Beklagten am 9. Februar 2010 und damit rechtzeitig vor Ablauf der bis 10. Februar 2010 verlängerten Frist erfolgt sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die zugehörige Voranmeldung bereits am 5. Februar 2010 übermittelt wurde, denn schließlich dürfe derjenige, der die Umsatzsteuervoranmeldung bewusst verspätet abgebe, auch hinsichtlich der Säumniszuschläge nicht besser gestellt werden als derjenige, der rechtzeitig eine Fristverlängerung beantrage, aber nicht voll ausnutzte, wie sie. Ohne eine Fristverlängerung werde die Umsatzsteuer nämlich nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG (und Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 210 Rdnr. 172 m.w.N.) nicht fällig, bevor nicht die Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt eingegangen sei. Daher müsse die Fristverlängerung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG i.V.m. § 46 Satz 1 UStDV (und Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 210 Rdnr. 174, Beispiel 3) nicht nur bewirken, dass die Abgabefrist um einen Monat herausgeschoben werde, sondern auch, dass die Steuer entsprechend später fällig werde.
Dessen ungeachtet bilde die verschuldensunabhängige Festsetzung der Säumniszuschläge aber jedenfalls dann einen sachlichen Erlassgrund, wenn der Gesetzgeber den zu beurteilenden Sachverhalt übersehen oder nur unzureichend geregelt habe. Dies sei vorliegend zu bejahen, weil dieser die mit Verschiebung der Abgabefrist zusammenhängende Verschiebung der Fälligkeit jedenfalls nicht hinreichend deutlich geregelt habe. Der Wortlaut des § 18 Abs. 6 UStG ermögliche beides und unterscheide dabei – entgegen der Ansicht des Beklagten – ebenso wenig zwischen Dauer- und Einzelfristverlängerung wie der des § 46 U...