Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf Datenschutz-Grundverordnung gestützter gebundener Anspruch auf Akteneinsicht im Saarland während einer laufenden Betriebsprüfung auch für Zeiträume vor dem 25.5.2018
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Verfahren der Kostenentscheidung nach einvernehmlicher Hauptsacheerledigungserklärung: Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO, ABl. L 119 vom 4.5.2015, 1) ab 25.5.2018 besteht für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde. Dies gilt in zeitlicher Hinsicht auch, soweit personenbezogene Daten (noch immer) ab dem 25.5.2018 verarbeitet werden, und damit auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor dem 25.5.2018 (im Streitfall: im Jahr 2015 von einem Gesellschafter einer GbR gestellter Antrag auf Akteneinsicht während einer bei der GbR im Saarland laufenden Außenprüfung). Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht weiterhin von einem Ermessensanspruch ausgeht (vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 12.1.2018, BStBl I 2018, 185 Rz. 32), widerspricht dies sowohl vorrangigem Unionsrecht als auch nationalem Recht.
2. Das Akteneinsichtsrecht eines Gesellschafters betreffend die Akten der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der GbR wird auch dann nicht durch das Steuergeheimnis ausgeschlossen, wenn die Gesellschafter zerstritten sind.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1, §§ 78, 40; DSGVO Art. 2 Abs. 1-2, Art. 15 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2, Art. 99 Abs. 2, Art. 4 Nr. 6; Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz § 1 S. 1; Verordnung (EU) 2016/679 Art. 15 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2, Art. 99 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1-2, Art. 4 Nr. 6; AO §§ 30, 32d Abs. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32c Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Entscheidung ergeht unanfechtbar.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten stritten um die Frage, ob der Beklagte zu Recht einen Antrag auf Akteneinsicht während einer laufenden Außenprüfung abgelehnt hat.
Der Kläger war neben Herrn X und Herrn Y zu 1/3 an der Sozietät XZ – Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater (nachfolgend: GbR) beteiligt. Die GbR wurde durch Auseinandersetzungsvertrag vom 31. Oktober 2008 zum 31. Dezember 2008 aufgelöst (BP-U I/II Bl. 114 ff.).
Bei der GbR fand ab dem Jahr 2014 eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 statt. Die Gesellschafter der GbR waren zerstritten; im Rahmen der Außenprüfung stritten sie vor allem um die Berechnung des Veräußerungsgewinns und die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz. Anlässlich einer Besprechung zwischen der Betriebsprüfungsstelle und dem Kläger beantragte der Kläger am 14. Oktober 2015 Akteneinsicht (BP-U II/II Bl. 407). Diesen Antrag lehnte der Beklagte am 22. Oktober 2015 unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und das Steuergeheimnis ab (Bl. 29). Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 als unbegründet zurück (Bl. 25 ff.). Mit seiner am 11. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Akteneinsicht weiter.
Am 19. November 2018 hat der Kläger bei Gericht einen Antrag auf Akteneinsicht gem. § 78 FGO gestellt (Bl. 80). Nachdem der Kläger darauf hingewiesen worden war, dass mit der Einsichtnahme in die Akten die materielle Erledigung der Hauptsache eintritt (Bl. 81), hat er am 24. Januar 2019 bei Gericht Einsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten genommen (Bl. 83). Daraufhin haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 95, 101).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten des Beklagten (vgl. Bl. 59) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Gemäß § 138 Abs. 1 FGO hat das Gericht im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen in der Hauptsache nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Verfahrenskosten durch Beschluss zu entscheiden. Hierbei ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens ohne das erledigende Ereignis zu berücksichtigen. Einem Beteiligten sind danach in der Regel die Kosten aufzuerlegen, wenn er nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei Fortsetzung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen wäre, da er dann nach dem Gesetz die Kosten zu tragen gehabt hätte (BFH vom 31. August 1976 VII R 20/74, BStBl II 1976, 686). Zur Entscheidung darüber braucht die Rechtslage indes nicht eingehend geprüft und die Sachlage nicht abschließend geklärt zu werden (BFH vom 10. November 1971 I B 14/70, BStBl II 1972, 222; vom 25. Juli 1991 III B 555/90, BStBl II 1991, 876). Insoweit sind die Anforderungen an die Prüfung der Sach- und Rechtslage vergleichbar mit der Intensität der Prüfung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung.
2. Nach dieser Maßgabe waren die Kosten vorliegend dem Beklagten aufzuerlegen. Denn unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands dürfte die Klage Aussicht auf Erfolg gehabt haben. Der Kläger dürfte einen Anspruc...