Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung wegen Tatsachen, die der zuständige FA-Sachbearbeiter einer anderen wenige Tage zuvor bearbeiteten Steuerakte hätte entnehmen können
Leitsatz (redaktionell)
Ist dem zuständigen Sachbearbeiter des FA bei der Veranlagung der zu niedrige Einkünfte des unterhaltenen erwachsenen Kindes erklärenden Steuerpflichtigen nicht bewusst, dass er wenige Tage zuvor die Steuerakten des Kindes bearbeitet hat, der die zutreffende Höhe der Einkünfte zu entnehmen gewesen wäre, so dass die Kenntnis der tatsächlichen Kindeseinkünfte, welche eine Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung ausschließen, tatsächlich nachträglich erlangt wird, ist das FA zur Änderung der Einkommensteuererklärung nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO berechtigt (vgl. erster Rechtsgang: Aufhebung des Urteils des FG Saarland v. 14.10.2010, 1 K 1503/08 durch den BFH mit Urteil v. 13.6.2012, VI R 85/10).
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 33a Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang, nachdem der BFH das Urteil des 1. Senats des Finanzgerichts des Saarlandes vom 14. Oktober 2010 1 K 1503/08 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat.
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns. Der Ehemann hatte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass der Sohn als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und ihr Ehemann teilten die eigenen Einkünfte des Sohnes, die sich im Streitjahr tatsächlich auf xx.xxx DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von x.xxx DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die vom Ehemann im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von x.xxx DM nicht an.
In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte der Beklagte die Unterhaltsaufwendungen für den Sohn in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Er ging dabei von eigenen Einkünften des Sohnes in Höhe von x.xxx DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ er die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.
Der Sohn hatte seinerseits seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim Beklagten abgegeben. Er war von demselben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf xx.xxx DM.
Der Beklagte änderte den Bescheid vom 7. November 2001 gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann am 19. Dezember 2002 gemäß § 129 AO und § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Er berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des Ehemanns bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ der Beklagte in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des Sohnes die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes mit Urteil vom 14. Oktober 2010 als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte der Beklagte im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von x.xxx DM.
Auf die in dem Urteil zugelassene Revision hin hat der BFH mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BStBl II 2013, 5 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Soweit das Urteil vom 14. Oktober 2010 die Klage hinsichtlich der Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als unbegründet abgewiesen hatte, weil insoweit die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO vorlagen, hatte die Revision keinen Erfolg.
Hinsichtlich des Abzugs der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen, die zu der Änderung des Einkommensteuerbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geführt hatte, gelangte der BFH zu dem Ergebnis, dass das Gericht zwar von den zutreffenden Rechtsgrundlagen ausgegangen...