Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines gegen den „Körperschaftsteuerbescheid” eingelegten Einspruchs als Rechtsbehelf gegen den Verlustfeststellungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
Hat das Finanzamt den Verlust des laufenden Jahres entsprechend der Steuererklärung veranlagt und die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt, aber bei der Feststellung des vortragsfähigen Verlustabzugs wegen Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG der Höhe nach nur noch den Verlust des laufenden Jahres, nicht aber mehr den zum 31.12. des Vorjahres festgestellten Verlust berücksichtigt, so ist ein von einem fachkundigen Bevollmächtigten unter Angabe des Steuerjahres und des Bescheiddatums nur gegen den „Körperschaftsteuerbescheid” eingelegter, nicht näher begründeter Einspruch als Rechtsbehelf gegen den Verlustfeststellungsbescheid auszulegen.
Normenkette
AO 1977 § 357 Abs. 1, § 3 S. 1, § 367 Abs. 2 S. 1; BGB § 133; KStG § 8 Abs. 4; EStG § 10d
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 wird dem Beklagten aufgegeben, über den mit Schriftsatz vom 23. Juli 1998 gegen den Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31. Dezember 1996 eingelegten Einspruch zu entscheiden. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, eine 1994 errichtete GmbH, betreibt den Handel mit den von der A SA in C hergestellten innovativen Verbundwerkstoffen. Zum 31. Dezember 1995 stand ihr gemäß bestandskräftiger Feststellung vom 2. April 1997 ein verbleibender Verlustabzug i.H.v. 213.354 DM zu. Am 12. April 1996 wurden alle Stammanteile der Klägerin an die A SA in C verkauft (Bl. 22 ff.). Der anhängige Rechtsstreit geht um die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31. Dezember 1996.
Die Klägerin reichte ihre Steuererklärungen 1996 am 15. Juli 1997 beim Beklagten ein. In ihrer Körperschaftsteuererklärung wies die Klägerin einen Verlust i.H.v. 52.564 DM aus. Am 1. Juli 1998 gab der Beklagte u.a. den Berechnungsbogen zur Ermittlung der Körperschaftsteuer 1996 und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31. Dezember 1996 mit einfachem Brief zur Post. Hierin setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer 1996 auf 0 DM und den verbleibenden Verlustabzug auf 52.564 DM fest. Den zum 31. Dezember 1995 bestehenden Verlustabzugsbetrag ließ er unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG unberücksichtigt (Bl. 11 f.).
Am 24. Juli 1998 legte die Klägerin gegen den „Körperschaftsteuerbescheid für 1996 vom 01.07.98” „fristwahrend” und ohne Begründung Einspruch ein (Bl. 2 Rbh). Der Aufforderung des Beklagten vom 24. August 1998, den Einspruch binnen 14 Tagen zu begründen, kam die Klägerin nicht nach (Bl. 3 Rbh).
Durch Schriftsatz vom 27. Juli 1999 begründete sie ihren Einspruch dahingehend, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG nicht vorlägen (Bl. 4 Rbh). Mit Einspruchsentscheidung vom 28. September 1999 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 als unzulässig zurück, da die Klägerin durch den Bescheid infolge der 0-Festsetzung nicht beschwert sei. Eine Auslegung des Einspruchsschreibens dahingehend, dass auch gegen die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges Einspruch eingelegt worden sei, sei wegen des klaren Wortlautes des Schreibens nicht möglich (Bl. 6 ff. Rbh). Nach einem Hinweis des Berichterstatters in anschließenden Klageverfahren 1 K 336/99 nahm die Klägerin ihre hiergegen gerichtete Klage zurück.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2002 beantragte die Klägerin beim Beklagten, den vortragsfähigen Verlust unter Berücksichtigung weiterer 213.354 DM festzustellen, hilfsweise den mit Schriftsatz vom 24. Juli 1998 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 erhobenen Einspruch in den Einspruch gegen die Verlustfeststellung umzudeuten bzw. eine klagefähige Entscheidung zu erlassen (Bl. 18). Mit Bescheid vom 23. Oktober 2002 lehnte der Beklagte dies ab. Am 20. November 2002 legte die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein, den sie trotz Aufforderung nicht begründete. Durch Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 6 ff.).
Am 19. August 2003 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt (Bl. 1 f.),
den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1996 mit 265.918 DM festzusetzen,
hilfsweise,
den mit Schriftsatz vom 24. Juli 1998 erhobenen Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 als Einspruch gegen die Verlustfeststellung umzudeuten und dem Beklagten aufzuerlegen, über diesen Einspruch zu entscheiden.
▹ Deutung des Schriftsatzes vom 23. Juli 1998
Die Klägerin habe sich im o.g. Schriftsatz umfassend gegen den Bescheid vom 1. Jul...