Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlungspflicht. Mitwirkungspflicht. Hinweispflicht. Beweiswürdigung. Überzeugungsbildung. Verwertungsverbot. Verbindlichkeiten. Auflösung. Körperschaftsteuer 1992 bis 1994
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ermittlungen des Gerichts erstrecken sich auf die steuererheblichen Sachverhalte der Streitjahre. Hierfür können auch die Verhältnisse bereits abgelaufener oder den Streitjahren folgender Zeiträume bedeutsam sein. Das Gericht bestimmt Art und Umfang seiner Ermittlungen nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung. Es ist nicht gehalten, den Beteiligten jeden seiner Ermittlungsschritte zu erläutern oder gar mit ihnen zu diskutieren.
2. Im Rahmen der Beweiswürdigung kann die Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten zur Folge haben, dass aus dem Verhalten eines Beteiligten für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden, insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht Tatsachen und Beweismittel aus seiner Wissens- und Einflusssphäre betreffen.
3. Wird ein Steuerfahnder als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft zu einer Durchsuchung hinzugezogen, die wegen Konkursdelikten angeordnet worden ist, so unterliegen die Funde, die der Fahnder während der Durchsuchung macht, auch dann nicht einem steuerlichen Verwertungsverbot, wenn ihm die Sache bereits aufgrund einer anonymen Anzeige bei den Steuerbehörden bekannt ist.
4. Weist eine GmbH, die über keine erkennbaren stillen Reserven verfügt und deren Geschäftsführer in ein Verfahren wegen Konkursverschleppung als Geschäftsführer einer Schwester-GmbH verstrickt gewesen ist, über einen längeren Zeitraum erhebliche negative Kapitalkonten aus, die ihren Ursprung in langjährigen ungesicherten Verbindlichkeiten gegenüber einer in Liechtenstein ansässigen Kapitalgesellschaft haben, so spricht dies dafür, dass die GmbH mit einer Geltendmachung dieser Verbindlichkeiten nicht zu rechnen braucht. Die Verbindlichkeiten können ertragserhöhend aufgelöst werden.
Normenkette
FGO §§ 76, 90; EStG § 5 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden – einschließlich der Kosten des BFH (Verfahren I B 120/02) – der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, die 1989 gegründete A-GmbH, betreibt den Handel mit Natursteinen. Sie ist gemäß Eintragung ins Handelsregister „berechtigt, alle Handlungen vorzunehmen, die dem Zweck der Gesellschaft dienlich sein können, insbesondere gleichartige oder ähnliche Unternehmen im In- und Ausland zu erwerben und zu errichten, zu pachten, sich an solchen zu beteiligen und deren Vertretung oder Geschäftsführung zu übernehmen sowie auch Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten” (Bl. 5 Dok.). Die Anteile der Klägerin werden seit 1992 zu 100% von Herrn A gehalten, der auch ihr alleiniger Geschäftsführer ist.
Seit 1992 vertreibt die Klägerin Natursteine, die in Vietnam hergestellt und von dort direkt („free on board Vietnam”, Bl. 198 BFHA) an ihr Unternehmen geliefert werden. Diese Steine bezieht sie von der X-AG mit Sitz in Liechtenstein (Bl. 17, 24 RbH; Bl. 44), deren Anteile – nach dem Vortrag der Klägerin – von B, Liechtenstein, gehalten werden. B ist an der B-AG (eine der größten Baufirmen Liechtensteins, Bl. 15 RbH), an der Z-AG, Liechtenstein und an der T-AG maßgeblich beteiligt (Bl. 223).
A stammt mütterlicherseits aus Liechtenstein, wo er sich in seiner Kindheit und Jugend oft lange Zeit bei Verwandten aufgehalten und auch später noch intensive verwandtschaftliche Bindungen und freundschaftliche Kontakte gepflegt hat (Bl. 15 RbhA). Er und B „sind seit Jahrzehnten eng befreundet” (Bl. 25 RbhA). Es bestehen auch persönliche Kontakte zur Familie des B (Bl. 15 RbhA). A verfügt als Fachmann im Bereich von Natursteinen über das Know-how zu deren Gewinnung und Verarbeitung (einschließlich der Kenntnisse, die für eine „ordentliche Kalkulation und Preisgestaltung” notwendig sind); er unterhielt über einen vietnamesischen Bekannten C Kontakte nach Vietnam (Bl. 1 BpA; Bl. 20, 21 RbH; Bl. 47, 223, 283, 386, 401). C ist ursprünglich Angestellter der V-GmbH, Berlin gewesen. Die Klägerin hat im August 1991 mit der V-GmbH im Hinblick auf das Natursteingeschäft mit Vietnam einen Kooperationsvertrag geschlossen. Die V-GmbH hat in Vietnam ein Büro unterhalten. Am 7. November 1991 hat die Klägerin alle Rechte aus diesem Vertrag an die X-AG abgetreten (Bl. 58 StrafA). Am 26. März 1992 ist der Kooperationsvertrag aufgelöst worden. C hat Ende März 1992 seinen Anstellungsvertrag mit der V-GmbH gekündigt (Bl. 59 ff. StrafA) und war danach bei der X-AG angestellt (Bl. 225).
Auf Vorschlag des A haben sich B und A nach eingehenden Vorsondierungen (u.a. zahlreiche Reisen nach Vietnam) Anfang der neunziger Jahre – zunächst in Kooperation mit der V-GmbH – entschlossen, in Vietnam Natursteine zu produzieren und nach Europa zu importieren (Bl. 223, 283 f., 527 f.). Die Steine wurden in der Anfangszeit von vietnamesischen Produzente...