Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr bei mehreren zeitgleich terminierten Sachen - Begriff der einheitlichen Angelegenheit - Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bei Steuerberater
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Steuerberater, der in mehreren zeitgleich terminierten Sachen auftritt, erhält die Terminsgebühr für jedes einzelne terminierte und aufgerufene Verfahren nach dem jeweils maßgebenden Streitwert, es sei denn, dass die Verfahren miteinander verbunden worden sind.
- Nicht formell verbundene Verfahren stellen keine einheitliche Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG dar.
- Die im Vorverfahren nach § 40 StBGebV entstandene Geschäftsgebühr eines Steuerberaters ist in gleicher Weise wie die Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts auf die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit in der gleichen Angelegenheit im Verfahren vor dem Finanzgericht anzurechnen.
- Dies gilt ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge, in der die Geschäfts- und Verfahrensgebühr entsteht.
Normenkette
StBGebV §§ 40, 45; RVG § 15 Abs. 2 S. 1; VV RVG Nr. 2300; VV RVG Nr. 3104 Abs. 2, Nr. 3200; VV RVG Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 1; VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4
Tatbestand
Mit Beschluss vom 07.06.2011 hat der Berichterstatter des 11. Senates nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Kosten des Verfahrens (11 K 4415/09 U) zu ¼ dem Erinnerungsführer und zu ¾ dem Erinnerungsgegner auferlegt. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren hat der Berichterstatter mit Beschluss vom 17.08.2011 für notwendig erklärt.
Der Erinnerungsführer beantragte, die erstattungsfähigen Aufwendungen auf 1.565,80 € festzusetzen. Zur Berechnung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 06.07.2011 (Blatt 96 f. der Gerichtsakte 11 K 4415/09 U) Bezug genommen.
Gegen die Berechnung des Erinnerungsführers hat der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 08.08.2011 eingewandt, die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens sei auf die Verfahrensgebühr anzurechnen (vgl. Vorbem. 3 Abs. 4 zum 3. Teil des Vergütungsverzeichnisses - VV - zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) - RVG). Die Vorbem. 3 Abs. 4 decke zwar nur die Gebühr der Rechtsanwälte ab. Da die ab dem 01.01.2007 gültige Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) dem RVG jedoch angeglichen worden sei, sei die Geschäftsgebühr (§ 40 StBGebV) ebenfalls (analog) auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Zweck der Anrechnungsvorschrift sei es, zu verhindern, dass die gleiche oder annähernd gleiche Tätigkeit zweimal honoriert würde, wenn die Angelegenheit zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche Tätigkeit betrieben werde. Daneben sei die Entstehung der Erledigungsgebühr fraglich.
Mit Schriftsatz vom 19.08.2011 nahm die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Stellung zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsführers. Auf die Verfahrensgebühr sei gemäß Vorbemerk 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG die entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zur Hälfte anzurechnen. Die Terminsgebühr entstehe auf Basis des Gesamtstreitwertes aller gemeinschaftlich verhandelten Verfahren. Sie sei sodann nach dem Verhältnis der Einzelstreitwerte zum Gesamtstreitwert auf die jeweiligen Verfahren aufzuteilen. In den beiden Erörterungsterminen seien neun Verfahren gemeinschaftlich verhandelt worden. Der Gesamtstreitwert betrage 36.914 €.
Der Erinnerungsführer beantragte - unter Berufung auf einen Beschluss des OVG Münster vom 09.07.2009 (Az. 18 E 373/09), auf ein Urteil des LSG Bayern vom 07.01.2011 (Az. L 15 B 939/08) und auf einen Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20.05.2009 (Az. 6 Ko 3/09) - für jedes Verfahren eine gesonderte Terminsgebühr nach dem Einzelstreitwert festzusetzen. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei nicht vorzunehmen. Sie führe zu einer Schlechterstellung der Steuerberater gegenüber den Rechtsanwälten. Dies ergäbe sich daraus, dass Steuerberater durch § 40 StBGebV schon verschiedenen, speziellen Gebührenminderungen unterlägen, die für Rechtsanwälte nicht gelten würden. Der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei eindeutig. Eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gelte nur für Rechtsanwälte und nicht für Steuerberater, die ihre Gebühren für das Vorverfahren nach § 40 StBGebV nicht nach den Nr. 2300 bis 2303 VV RVG abrechnen würden. § 40 StBGebV enthalte auch keinen Hinweis auf das RVG. Die sinngemäße Anwendung des RVG sei ausdrücklich auf die Vergütung des Steuerberaters in gerichtlichen Verfahren beschränkt (§ 45 StBGebV).
Mit Beschluss vom 09.09.2011 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 956,89 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag abgelehnt. Dabei hat sie u.a. die Terminsgebühr nicht nach dem Einzelstreitwert des vorliegenden Verfahrens, sondern verhältnismäßig unter Berücksichtigung des Gesamtstreitwertes aller neun verhandelten Verfahren ermittelt. Die maßgebende Regelung de...