Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rücknahme eines Insolvenzantrags des FA – Regelungsanordnung – Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Ermessensentscheidung – Fortführung des Antragsverfahrens trotz Erfüllung der Forderung – Fortbestehende Zahlungsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Überprüfung der nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Ermessensentscheidung des FA, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen.
2. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist daher ein Anspruch auf Rücknahme des Insolvenzantrags zu bejahen, wenn das FA trotz der Erfüllung seiner Forderung die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners nicht glaubhaft machen kann.
Normenkette
FGO §§ 102, 114 Abs. 1 S. 2; InsO § 14 Abs. 1 Sätze 1-2, § 17 Abs. 2 Sätze 1-2
Tatbestand
Die Antragstellerin (Astin) ist eine GmbH, die eine Gastronomie und Eventlocation betreibt. Sie ist ihren Pflichten zur Steuerzahlung wiederholt nicht rechtzeitig nachgekommen und befindet sich daher seit längerem in Zwangsvollstreckung durch den Antragsgegner (das Finanzamt --FA--). Zu den vom FA getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen gehörte u.a. die Pfändung von Ansprüchen, Forderungen und Rechten aus der Geschäftsbeziehung der Astin mit der C Bank. Nachdem diese in ihrer Drittschuldnererklärung vom 4.9.2018 mitgeteilt hatte, dass vorrangige Pfändungen in Höhe von 58.891,66 € vorlägen, und eine Sachpfändung durch den Vollziehungsbeamten vom 7.9.2018 lediglich zur Zahlung eines Betrags von 3.000 € geführt hatte, stellte das FA am 11.9.2018 beim Amtsgericht Z-Stadt einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Astin. Zur Begründung führte es aus, dass die Astin dem Land Nordrhein-Westfalen Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 47.732,33 € schulde und von einer Zahlungsunfähigkeit der Astin auszugehen sei.
Im Laufe des Monats September führte die Astin, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sämtliche Steuerverbindlichkeiten auf null zurück. Ferner teilte die Astin dem Amtsgericht Z-Stadt in einem Schreiben vom 26.9.2018, auf das wegen seines Inhalts Bezug genommen wird, mit, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliege, sämtliche laufenden Zahlungsverpflichtungen eingehalten würden und die aufgelaufenen Rückstände ausschließlich dem schlechten Sommergeschäft geschuldet gewesen seien. Am 5.10.2018 bestätigte die D Steuerberatungsgesellschaft mbH Y-Stadt der Astin, dass sie eine Plausibilitätsprüfung der Umsatz-, Ergebnis- und Liquiditätsplanung der Astin für den Zeitraum 4.10.2018 bis 31.12.2018 vorgenommen habe und keinerlei Zweifel an der Plausibilität der vorgelegten Planzahlen bestünden. Aus einer den Planzahlen beigefügten Aufstellung der offenen Posten geht hervor, dass nach den Planungen der Gesellschaft bis zum 31.10.2018 noch mit Außenständen in Höhe von 63.300,91 € zu rechnen war. Die zur Verfügung stehende Liquidität zum 31.12.2018 bezifferte die Astin in ihrer Liquiditätsplanung für den Monat Oktober – bereits unter Abzug der genannten Verbindlichkeiten – auf 34.458,28 €. Darüber hinaus bestand nach den Angaben der Astin eine Kreditlinie von 50.000 €, so dass in der Liquiditätsplanung von einer Notfall-Liquidität von 84.468,28 € ausgegangen wurde.
Am 18.10.2018 stellte die Astin beim Finanzgericht Düsseldorf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem FA aufzugeben, den Insolvenzantrag zurückzunehmen. Zur Begründung führt die Astin aus: Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe im Ermessen des FA. Vorliegend hafte dieser Entscheidung ein Ermessensfehler an. Das FA habe von dem ihm eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, indem es falsche Tatsachen zur Begründung des Insolvenzantrags angeführt bzw. entlastende Tatsachen wissentlich weggelassen und angeführte Tatsachen nicht glaubhaft gemacht habe sowie darüber hinaus sachfremde Erwägungen in seine Entscheidung habe einfließen lassen.
Insbesondere liege der vom FA behauptete Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht vor. Zwar gelte, dass dann, wenn der Gerichtsvollzieher in den letzten sechs Monaten vor Insolvenzantragsstellung eine Unpfändbarkeitsbescheinigung ausgestellt habe, dies zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit durch den Gläubiger ausreiche. Dagegen genüge aber der Vortrag, dass eine Vollstreckung in Forderungen der Schuldnerin (teilweise) erfolglos geblieben sei, nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht für eine Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit, da daraus nicht geschlossen werden könne, dass die Schuldnerin überschuldet oder zahlungsunfähig sei. Daher dürfe das FA vorliegend aus der pauschalen Behauptung, dass am 6.9.2018 eine fruchtlose Pfändung gegenüber der Astin stattgefunden habe, nicht auf...