Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Erbschaftsteuer bei nur geplanter Adoption
Leitsatz (redaktionell)
- Eine beabsichtigte, aber vor dem Tod des Erblassers nicht mehr durchgeführte Adoption des eingesetzten Erben rechtfertigt keinen Erlass der die Steuerklasse I übersteigenden Erbschaftsteuer.
- Zur Frage der sittlichen Rechtfertigung als Zulässigkeitsvoraussetzung der Adoption.
Normenkette
AO § 227; ErbStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1767 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger - Kl. - ist (Mit-)Erbe nach dem 1944 geborenen und 1992 verstorbenen A (Erblasser). Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die vom beklagten Finanzamt - FA - festgesetzte Erbschaftsteuer - ErbSt - im Hinblick auf eine beabsichtigte, aber vor dem Tode des Erblassers nicht (mehr) durchgeführte Adoption des Kl. durch den Erblasser zu erlassen ist, weil im Rahmen der für den Erbfall durchgeführten Erbschaftbesteuerung für den Kl. (wie von diesem erstrebt) die Steuerklasse I oder (wie vom beklagten FA durchgeführt) die Steuerklasse IV anzuwenden war/ist.
Dem Streitfall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Erblasser war der Sohn der Eheleute ... B ... Der Vater des Erblassers führte bis zu seinem Tod im Jahr 1982 das Familienunternehmen B & Sohn KG. Erbin des verstorbenen Vaters des Kl. war seine Mutter, die mit handschriftlichem Testament vom 10.9.1987 folgende Verfügungen traf:
"Meinen Sohn A ... setze ich hiermit zu meinem alleinigen Erben ein. Gleichzeitig ordne ich für meinen Nachlass Testamentsvollstreckung an. Zu Testamentsvollstreckern ernenne ich:
Herrn S ...
Herrn R ...
Sollte einer der Herrn bei meinem Ableben nicht mehr in der Firma B & Sohn K.G. beschäftigt sein, fällt die Benennung zum Testamentsvollstrecker automatisch weg.
Die Testamentsvollstreckung soll sich auf folgende Punkte beziehen:
1) Grundbesitz. ... Einfamilienhaus...
2) Beteiligung Firma ... B & Sohn K.G. Die beiden Herrn sollen meinen Sohn in der Weise beraten und behilflich sein, dass sie dafür sorgen, dass die Anteile in der Firma bleiben. Die Anteile sollen ohne besonderen Notfall nicht verkauft, beliehen oder entnommen werden."
Der 1942 geborene S und der 1949 geborene R waren ebenso wie der 1939 geborene Kl. leitende Angestellte des Familienunternehmens.
Nach dem Tode der Mutter im Jahr 1991 schloss der Erblasser am 18.9.1991 mit den Herren S, R und dem Kl. folgenden notariell beurkundeten Erbvertrag:
II. Erbeinsetzung
A, der Erblasser - Erbl. -, setzte zu seinen Erben seine Abkömmlinge und ersatzweise die Herren S zu 37 % Anteil, R zu 37 % Anteil und T zu 26 % Anteil ein.
III. Vermächtnisse
1. Dem Erbl. persönlich und privat zustehende Guthaben bei der ...-Bank sollten seinen gesetzlichen Erben ausgezahlt werden.
2. Die Herren S, R und T vermachten ihren Abkömmlingen ihre Darlehensansprüche gegen die Fa. B & Sohn KG.
IV. Bindung
Der Erbl. behielt sich den Rücktritt von dem Erbvertrag vor, falls einer der Herren S, R und T oder mehrere von ihnen anders als durch Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze oder durch Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aus den Diensten der Fa. B & Sohn ausscheiden sollte.
Nachdem der Erblasser unverheiratet und kinderlos verstorben war, wurde am 10.4.1992 den Herren S, R und T ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. Auf eine vorläufige Erbschaftsteuererklärung der drei Erben hin erging am 24.6.1992 ein gem. § 165 der Abgabenordnung - AO - vorläufiger Erbschaftsteuerbescheid gegen den Kl., in dem unter Anwendung der Steuerklasse IV ErbSt von 1.766.826 DM festgesetzt wurde. Zur Begründung des dagegen eingelegten Einspruchs trug der Prozessvertreter des Kl., Steuerberater - StB - F, mündlich vor:
Alle Erben hätten vom Erbl. "adoptiert" werden sollen, da dieser krank und unverheiratet gewesen sei. Der Erblasser habe zu keiner Zeit die Firma selbständig leiten können. Am 22.6.1993 beantragten der Kl. und seine Miterben beim beklagten FA den Erlass der gegen sie festgesetzten ErbSt und ließen durch den StB F mündlich vortragen:
Der Erbl. habe die Herren S, R und T als Familienangehörige angesehen. Nach dem Tod der Mutter 1991 habe er weder Verwandte noch Freunde gehabt. Allein die 3 Herren seien seine engsten Bezugspersonen gewesen, die er auch als seine Erben eingesetzt habe. Diese hätten das Familienunternehmen ab dem Tod des Firmengründers 1982 faktisch geführt. Nach dem Tod der Mutter habe er an Adoption der 3 Herren gedacht. Die Adoption sei nur wegen des plötzlichen und unerwarteten Ablebens des Erbl. nicht vollzogen worden. Hierzu legte der StB F an Amtsstelle ein Schreiben des Rechtsanwalts - RA - W vom 5.4.1993 vor, in dem dieser folgendes angab:
Der Erbl. sei nicht zur Persönlichkeit herangereift und habe daher nicht die ihm zugedachte Leitung des Unternehmens übernehmen können. Er sei wohl auch psychisch gestört gewesen oder zurückgeblieben. Im Unternehmen habe er zwar an entscheidungsvorbereitenden Beratungen teilgenommen, aber nie eine eigene Meinung geäußert, sondern sich stets der Mehrheitsmeinung angeschlossen. Sein Einsatz im Unter...