Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswahlermessen bei der Inanspruchnahme eines gutgläubigen Beteiligten im Zusammenhang mit der Einfuhr unverzollter Zigaretten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 8 Satz 2 ZollV statuierte Gestellungspflicht bezüglich versteckter unverzollter Waren kann nur solche Personen treffen, die Kenntnis von dem mitzuteilenden Sachverhalt haben oder bei Anstrengung aller Erkenntnismöglichkeiten hätten haben müssen.
2. Wird bei einem möglichen Gesamtschuldverhältnis bezüglich der Einfuhrabgaben keine Begründung für die Inanspruchnahme eines gutgläubigen Beteiligten gegeben, so muss der Abgabenbescheid bereits wegen der fehlerhaften Ausübung des Auswahlermessens aufgehoben werden.
Normenkette
ZK Art. 4 Nr. 19, Art. 6 Abs. 3 S. 1, Art. 40, 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a, Abs. 3 1. Anstrich, Art. 213; ZollV § 8 S. 2; TabStG § 21; UStG § 21 Abs. 2 S. 1 1. Halbsatz; AO §§ 5, 44; FGO § 102
Nachgehend
Tatbestand
Bei einer Kontrolle des vom Kläger gesteuerten Lkw`s, amtliches polnisches Kennzeichen, durch das Zollfahndungsamt - ZFA - auf der BAB 2 - Rastplatz „” - am 30. Juni 2000 wurden auf dem mitgeführten Auflieger, amtliches polnisches Kennzeichen , insgesamt 56 Kartons mit 5.524 Stangen (1.104.800 Stück) unverzollter und unversteuerter Zigaretten der Marke „West” aufgefunden und sichergestellt. Die 56 Kartons Zigaretten waren den mit CMR-Frachtbrief beförderten Kartons Kleinmöbelteilen zugeladen worden und befanden sich hinter den Kartons mit Kleinmöbelteilen. Die Tarnladung Kleinmöbelteile war so aufgebaut, dass die Kartons mit den Zigaretten nicht einsehbar waren. Im Zeitpunkt der Kontrolle befand sich M als Beifahrer auf dem vom Kläger geführten Lkw. Nach den Feststellungen des Beklagten und den zu den Akten gereichten Unterlagen erfolgte die Beladung des Aufliegers mit Kleinmöbelteilen am 28. Juni 2000 in Polen und die Verplombung des Aufliegers am selben Tage beim polnischen Zollamt in Olszdyn. Die für insgesamt sechs verschiedene Empfänger in der Bundesrepublik Deutschland bestimmten Kartons Kleinmöbelteile wurden am 30. Juni 2000 nach dem Grenzübertritt beim Hauptzollamt - HZA - - Zollamt Autobahn - gestellt.
Bei seiner Vernehmung gegenüber Beamten des ZFA am 01. Juli 2000 erklärte der Kläger:
„Seit November des letzten Jahres bin ich arbeitslos. Ich habe seit dieser Zeit ca. 10 Fahrten gemeinsam mit M von Polen nach Deutschland durchgeführt. Wir haben immer den Lkw benutzt, mit dem wir heute angehalten wurden. Ich habe pro Fahrt von dem M bis zu Zloty 150 bekommen. M fährt diesen Lkw für eine Firma. Ich bin deshalb mitgefahren, weil M unterwegs ab und zu mal einen trinkt, dann habe ich den Lkw gefahren. Zu den heute sichergestellten Schmuggelzigaretten kann ich nur sagen, dass ich nichts davon gewusst habe, dass unter der Ladung versteckte Zigaretten eingeschmuggelt wurden. Beim Beladen des Lkw in Polen war ich nicht dabei. Wenn ich nun gefragt werde, ob ich beim Abladen dabei war, kann ich sagen, dass dieses teilweise der Fall war. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Kartons, die bei jeder Fahrt mit Möbeln bestückt sein sollten, mit unterschiedlichem Klebeband zugeklebt waren. Der größte Teil der Ladung war mit blauem Klebeband beklebt, der geringere Teil war mit hellem Klebeband versehen. Die Zigarettenkartons, die heute sichergestellt wurden, sind ebenfalls mit diesem Klebeband umklebt. Zu den Abladestellen in Deutschland befragt, kann ich sagen, dass es bei jeder Tour mehrere waren. Wenn ich nun gefragt werde, wo die heutige Tour hingehen sollte, so kann ich nur sagen, dass man das an den Frachtpapieren feststellen kann. Bei den bisher durchgeführten Fahrten wurden bei jeder Abladestelle Kartons mit blauem Klebeband und hellem Klebeband abgeladen. Die Anzahl der Kartons mit hellem Klebeband war bei den vorherigen Touren allerdings geringer, als die Kartons, in denen sich die heute sichergestellten Zigaretten befanden. Heute habe ich, nachdem wir vom Zoll überprüft wurden und die Beamten in den Kartons mit dem hellen Klebeband Zigaretten vorfanden, erstmals festgestellt, dass es sich dabei um Schmuggelzigaretten handelt. Zu der PIN-Nummer meines Handy befragt, gebe ich an, dass die Nummer lautet. Mir ist bekannt, dass das Einschmuggeln von Zigaretten nach Deutschland verboten ist.….”
Bei einer weiteren Vernehmung am 19. Juli 2000 vor dem ZFA erklärte der Kläger:
„Ich bin einen Tag vor dem Aufgriff, das heißt am 29.06.00 von meinem Bruder L nach Stettinek zu einer Tankstelle gebracht worden, weil ich dort bei dem M in den Lkw zusteigen sollte, um ihn bei seiner Fahrt nach Deutschland zu begleiten. Ich bin gegen 22 bis 23 Uhr zugestiegen. Soweit ich weiß, wohnt die Mutter des M ebenfalls in diesem Ort, ob er sie noch besucht hat, kann ich nicht sagen. Wir sind dann irgendwann losgefahren, haben an einer Tankstelle getankt und bis 6.00 Uhr morgens geschlafen. Ich habe noch abends festgestellt, dass sich an dem Lkw eine polnische Zollplombe ...