vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Verwendung von – in handelsüblichen 220 l Fässern bezogenem – Testbenzin der Qualität 180/210 und Exxsol D 60 als Heizstoff zur thermischen Oberflächenbeschichtung ist in richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG der Mindeststeuersatz für zum Verheizen verwendete Erzeugnisse gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG anzuwenden.
- Nach ihrer maßgeblichen konkreten Verwendung stehen das Testbenzin und das Exxsol D 60 in diesem Fall dem Heizöl der Unterpos. 2710 19 61 bis 2710 19 69 KN gleich, für das ein Steuersatz von 25 EUR je 1.000 kg anzuwenden ist.
- Auf die besonderen Beschaffenheitsmerkmale für Heizöl nach der Zusätzlichen Anmerkung 1 Buchst. f zu Kap. 27 KN kommt es für die Anwendung dieses Steuersatzes nicht an.
- Die fehlende Kennzeichnung steht einer Anwendung des Steuersatzes des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG gleichfalls nicht entgegen.
Normenkette
EnergieStG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 Sätze 1, 3, § 4 Nr. 3; EnergieStV § 8; KN Unterpos. 2710 1121; RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1; RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 3
Streitjahr(e)
2008, 2009
Nachgehend
Tatbestand
Die „...” gegründete Klägerin bietet als Serviceunternehmen thermische Oberflächenbeschichtungen für verschiedene Bereiche der Industrie an.
Das dazu von der Klägerin angewandte Hochgeschwindigkeitsflammspritzen („...”) ist ein thermisches Beschichtungsverfahren insbesondere für „Matarialart-” Schichten.
Die dabei verwandten wassergekühlten HVOF-Brenner (High Velocity Oxy Fuel – Hochgeschwindigkeitsflammspritzen) bestanden im Wesentlichen aus einer Brennkammer und einer Düse. In der Brennkammer wurden Sauerstoff und Testbenzin der Qualität 180/210 (Unterpos. 2710 1121 KN) oder anderes, der gleichen Unterposition der KN zuzuweisendes Leichtöl (Exxsol D 60) zur Zündung gebracht. Dabei entstand ein Gasstrahl (ca. 3.000 °C), der über eine Lavaldüse expandiert wurde. In den Gasstrahl wurde das Beschichtungspulver („Matarialart-”) an zwei Positionen eingedüst, angeschmolzen und auf ca. dreifache Schallgeschwindigkeit beschleunigt. Diese hochbeschleunigten Materialpartikel trafen auf die Werkstückoberfläche auf und erzeugten dort außerordentlich dichte Schichten von sehr hoher Haftfestigkeit.
Um Verzug und Gefügeänderungen zu vermeiden, wurde das jeweilige Werkstück mit CO2 oder Druckluft gekühlt. Es konnte aber bis zu 100°C warm werden.
Nach Angaben der Klägerin kommt es beim Hochgeschwindigkeitsflammspritzen auf die hohe Gas- und Partikelgeschwindigkeit an, während die Wärmeentwicklung eher unerwünscht ist.
Die Klägerin bezog das Testbenzin ohne Versteuerung in handelsüblichen 220 l Fässern.
Nach Sachverhaltsermittlungen auch durch eine Steueraufsichtsmaßnahme nahm der Beklagte die Klägerin mit Steuerbescheid vom 01.12.2008 für „...” EUR Energiesteuer und mit weiterem Steuerbescheid vom 07.12.2009 für „...” EUR Energiesteuer in Anspruch.
Dazu führte er aus, anders als unter Geltung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) stelle die von der Klägerin vorgenommene Verwendung des Testbenzins ein Verheizen dar. Die Wärme werde nämlich dazu genutzt, das Beschichtungspulver zu schmelzen und umzuwandeln. Das gelte auch dann, wenn das Verbrennen in erster Linie der Gewinnung kinetischer Energie diene, denn die thermische Energie werde zur Stoffumwandlung genutzt. Damit sei eine steuerfreie Verwendung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) ausgeschlossen. Zudem scheide eine Steuerentlastung nach den §§ 51, 54 und 55 EnergieStG aus.
Von den in § 2 Abs. 1 und 3 EnergieStG genannten Energieerzeugnissen stünden die verwendeten Produkte dem Benzin der Unterpositionen 2710 1141 bis 2710 1149 der Kombinierten Nomenklatur (KN) am nächsten, so dass auf die verwendeten Produkte der Steuersatz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG anzuwenden sei.
Der Steuerbescheid vom 01.12.2008 betraf den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.10.2008 und der Steuerbescheid vom 07.12.2009 den Zeitraum vom 01.11. bis zum 31.12.2008.
Zur Begründung der gegen die beiden Steuerbescheide fristgerecht eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, ihr stehe die Steuerbefreiung nach § 51 EnergieStG zu, so dass schon deshalb für die Steuererhebung kein Raum sei.
Zudem habe der Beklagte einen unrichtigen Steuersatz angewandt. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG sei der für Heizöl vorgesehene Steuersatz anzuwenden, da das Testbenzin mehr dem Heizöl als dem vom Beklagten angenommenen Motorenbenzin entspreche.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 18.12.2009 zum Bescheid vom 01.12.2008 und vom 29.12.2009 zum Bescheid vom 07.12.2009 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Dazu führte er aus: Der steuerfreie Einsatz v...