Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung zwischen Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld
Leitsatz (redaktionell)
- § 62 Abs. 2 EStG i. d. F vom 13.12.2006 ist auch auf Aufenthaltstitel nach dem AuslG anzuwenden, wenn der Titel zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt wurde und sowohl der Titel als auch die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung unmittelbar verlängert werden konnten.
- Eine aus humanitären Gründen erteilte Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG ist mit den in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG erwähnten Titeln nach dem AufenthG vergleichbar, so dass die Gewährung von Kindergeld nur nach den näheren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG in Betracht kommt.
- Eine nach § 53 Abs. 6 AuslG erteilte Aufenthaltsbefugnis entspricht dabei der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
- Es ist von verfassungsrechtlich nicht geboten, den Bezug von Arbeitslosenhilfe als Leistung nach dem SGB III im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG anzusehen. Dies kann vielmehr nur der Bezug von Arbeitslosengeld sein.
- Eine andere Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus dem deutsch-jugoslawischen Sozialabkommen.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 61a S. 2, § 62 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 70 Abs. 2; AufenthG § 25 Abs. 3; AuslG § 53 Abs. 6; SGB III a.F. § 190; SGB II § 46 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3
Streitjahr(e)
2002, 2003
Tatbestand
Der Kläger, jugoslawischer Staatsangehöriger, reiste am 20.1.1994 aus Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Sein Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.6.1994 abgelehnt.
Der Asylantrag seiner später zusammen mit den gemeinsamen vier Kindern (geboren 1987, 1988, 1989 und 1992) eingereisten Ehefrau wurde am 19.12.1994 abgelehnt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge stellte allerdings bei der Ehefrau die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 6 AuslG fest.
Obwohl der Kläger vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet war, erhielt er erstmals unter dem 23.3.1995 eine Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis zum 24.10.2005 befristet war. Eine Erwerbstätigkeit war dem Kläger danach nur mit einer Arbeitsgenehmigung gestattet. In zwei amtsinternen Schreiben der Ausländerbehörde sowie einem an die Ehefrau des Klägers gerichteten Schreiben – jeweils vom 09.03.1995 – heißt es , dass der Kläger – abgeleitet vom Aufenthaltstitel der Ehefrau – eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1 AuslG erhalten sollte.
Unter dem 24.01.2006 erhielt der Kläger eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes.
Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist die Kindergeldgewährung für die Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 strittig.
Im Hinblick auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma T. gewährte die Beklagte zunächst Kindergeld ab November 2001.
In der Zeit vom 3.12.2002 bis 31.5.2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, in der Zeit vom 1.6.2003 bis 31.10.2003 Arbeitslosenhilfe.
Ab dem 1.11.2003 arbeitete der Kläger wieder für die Firma T.
Nachdem die Beklagte hiervon erfahren hatte, hob sie durch Bescheid vom 4.11.2003 die Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 auf und forderte das für diese Zeit gezahlte Kindergeld in Höhe von EUR 2.564 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei und er im fraglichen Zeitraum auch keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt habe. Die Zahlung von Arbeitslosenhilfe schließe einen Kindergeldanspruch aus.
Unter dem 28.11.2003 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein und führte aus, dass die Beklagte für ihren Bescheid keine Rechtsgrundlage genannt habe.
Durch Einspruchsentscheidung vom 2.2.2005 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 25.2.2005 hat der Kläger Klage erhoben und Folgendes ergänzt: Der Beklagten sei während der Zeit der strittigen Kindergeldzahlung sehr wohl bekannt gewesen, dass er nur im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sei. Die Regelung in § 62 Abs. 2 EStG, wonach Ausländer nur beim Vorliegen bestimmter ausländerrechtlicher Titel einen Anspruch auf Kindergeld hätten, sei verfassungsrechtlich fragwürdig und Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof.
Im Übrigen entbehre die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldgewährung jeglicher Rechtsgrundlage.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass es für eine Differenzierung beim Bezug von Kindergeld zwischen der Zahlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe an einem sachlichen Grund mangele.
Dies hat er in einem nach Abschluss der mündlichen eingereichten Schriftsatz vom 21.03.2007 vertieft und auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25.10.2005 hingewiesen, das seine Einschätzung stütze.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 04.11.2003 in Gestalt der Einspruchsents...