Entscheidungsstichwort (Thema)
Einordnung der Tätigkeitsvergütung eines atypisch stillen Gesellschafters als Vorabgewinn oder als Sondervergütung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein dem atypisch stillen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag als Vorabgewinn zustehende Tätigkeitsvergütung kann nicht - mit Auswirkung auf den Gesamthandsverlust und dessen Ausgleichsfähigkeit nach § 15a EStG - als Sondervergütung qualifiziert werden, wenn es an einer unmissverständlichen Vereinbarung betreffend die Behandlung der Vergütung als (handelsrechtliche) Unkosten fehlt. Im Zweifel handelt es sich um eine bloße Gewinnverteilungsabrede.
- Eine Vertragsklausel, wonach diese Vorabvergütung im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft darstellen soll, genügt den Anforderungen an eine solche Vereinbarung nicht.
- Die buchtechnische Abwicklung und die Darstellung in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung haben insoweit nur eine nachrangige Indizwirkung.
- Soweit ein atypisch stiller Gesellschafter nach der im Gesellschaftsvertrag in Bezug genommenen Vorschrift des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teilnehmen soll, befreit ihn dies bei wortlautgemäßer Auslegung nur von der Nachschusspflicht, ohne dass die Gewinnverteilung berührt wäre.
- Die Beteiligung des atypisch stillen Gesellschafters an seine Einlage übersteigenden laufenden Verlusten kann aber auch nach § 231 Abs. 2 Hs. 1 HGB in der Weise ausgeschlossen werden, dass derartige Verlust dem Geschäftsinhaber zugerechnet werden, der die künftigen Gewinne so lange erhält, bis die übernommenen Verlustanteile ausgeglichen sind.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2, § 15a; HGB § 167 Abs. 3, § 169 Abs. 1, § 231 Abs. 2 Hs. 1, § 232 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 133, 157
Streitjahr(e)
2001
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeitsvergütung des atypisch stillen Gesellschafters als Vorabgewinn oder als Sondervergütung i.S. des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Satz 1 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren ist, und zwar Letzteres mit der Folge, dass ein Gesamthandsverlust entstanden ist, der gem. § 15a EStG, soweit er auf den atypisch stillen Gesellschafter entfällt, nur verrechenbar ist. Streitig ist ferner, ob der nach dem Verteilungsschlüssel auf den atypisch stillen Gesellschafter entfallende Verlust, soweit er dessen Einlage überstieg, nicht ihm, sondern der Klägerin zuzurechnen ist.
Die in Y-Stadt ansässige A Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Klägerin) – mit einer Beteiligung von 70 v.H. – und der in Z-Stadt geschäftsansässige Rechtsanwalt C (Beigeladener) – mit einer Beteiligung von 30 v.H.– gründeten mit Vertrag vom 22.12.2000 eine atypisch stille Gesellschaft, deren Tätigkeit (tatsächlich) am 1.1.2001 begann. Vom Festkapital (DM) entfiel auf C entsprechend seiner Beteiligungsquote ein bar einzulegender Kapitalanteil von DM. Gegenstand der Gesellschaft ist die Förderung einer Rechtsanwaltskanzlei in Z-Stadt, die durch einen Praxiskaufvertrag (fremdfinanziert) erworben wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (GV) Bezug genommen, in dem einleitend die Klägerin als „GmbH” und C als „Gesellschafter” bezeichnet sind.
§ 2 GV enthält u.a. folgende Regelung (wörtliche Wiedergabe):
„Der Gesellschafter sind neben der Erbringung ihrer Einlage (Kapitalanteil) zur Erbringung ihrer vollen Arbeitskraft für die Niederlassung als Einlage verpflichtet. Für diese Tätigkeiten erhalten sie einen Vorabgewinn gem. der als Vertragsbestandteil geltenden Tätigkeitsvereinbarung”.
§§ 7 bis 9 lauten (wörtliche Wiedergabe):
„§ 7
Die Gesellschafter…sind am Ergebnis und am Vermögen -einschließlich der stillen Reserven- dieser stillen Gesellschaft wie folgt beteiligt:
-die GmbH 70 Prozent
-der Gesellschafter 30 Prozent.
Eine Beteiligung des Gesellschafters an Verlusten der Kanzlei über ihre Vermögenseinlage hinaus ist gem. § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB ausgeschlossen.
Der GmbH steht für die von ihr zu entrichtende Gewerbesteuer ein Ausgleich durch die Kanzlei zu. Bemessungsgrundlage für die Forderung der GmbH ist die gemäß Handelsbilanzgewinn anfallende Gewerbesteuer der Kanzlei. Sie ist Betriebsausgabe der Kanzlei, jedoch erst nach einer eventuell getroffenen, ergebnisabhängigen Vergütungs- bzw. Tantiemevereinbarung.
Der Gesellschafter erhält für seine Tätigkeit eine Tätigkeitsvergütung als Vorabgewinn, die jeweils durch Vereinbarung mit den Gesellschaftern festzulegen ist. Er darf auf diesen Vorabgewinn nach Absprache mit den Gesellschaftern monatliche Entnahmen tätigen. Die Vorabvergütung stellt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft dar.
Reicht der tatsächlich erzielte Gewinn der Gesellschaft nicht aus, um die Tätigkeitsvergütung und die darauf getätigten Vorabentnahmen zu decken, so wird der über den tatsächlich erzielten Gewinn hinausgehende entnommene Betrag dem Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters belastet.
Ist ein Gesellschafter an der Ausübu...