Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG 1997/1999 mit Abkommens-, Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht – Anfechtung der Steueranmeldung durch in Österreich ansässigen Vergütungsgläubiger – Verlagerung der Prüfung des Betriebsausgabenabzugs und der Steuerfreistellung in das Erstattungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Es verstößt weder gegen das DBA-Österreich noch gegen das Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, dass ein in Österreich ansässiger Vergütungsgläubiger im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG 1997/1999 die Berücksichtigung der bis zur Abgabe der Steueranmeldung nicht dem Vergütungsschuldner mitgeteilten Betriebsausgaben und – bei Nichtvorlage der Freistellungsbescheinigung im Abzugsverfahren - die nachträgliche Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung nicht durch Anfechtung der Steueranmeldung, sondern nach § 50d Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 nur im Erstattungsverfahren erreichen kann.
Normenkette
EStG 1997/1999 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d; EStG 1997/1999 § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 3; EStG 1997/1999 § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1; EStG 1997/1999 § 50d Abs. 1 S. 1; EStG 1997/1999 § 50d Abs. 1 S. 2; EStG 1997/1999 § 50d Abs. 3 S. 1; KStG 1999 § 49 Abs. 1; DBA-Österreich Art. 4 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2 S. 1; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 25; EGV Art. 49-50
Streitjahr(e)
1998, 1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- 1997/1999 bei Einkünften aus der Überlassung von Künstlern.
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in „T-Stadt”, Österreich. Im Streitzeitraum – dem 4. Quartal 1998 und dem 1. Quartal 1999 – hatte sie keine Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Klägerin betrieb eine sog. Konzertdirektion, d. h. sie verpflichtete Künstler und Künstlergruppen und stellte sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte in der Bundesrepublik zur Verfügung. Im Streitzeitraum überließ sie der Beigeladenen folgende Gruppen gegen folgende Vergütungen:
05.11.1998 „A” DM 26.119
22.11.1998 „B” DM 18.050
24.02.1999 „C” DM 18.750
Die Überlassung erfolgte zu einem Festpreis. Für Honorare sowie Kosten der Reise, Unterkunft und Verpflegung der Künstler hatte regelmäßig die Klägerin aufzukommen. Zum Teil zahlte die Beigeladene zusätzlich zum Festpreis „Nebenkosten”, wie Materialleihgebühren, oder Tantieme an die Klägerin.
Nach Aufforderung durch den Beklagten meldete die Beigeladene als Vergütungsschuldnerin am 26.11.2001 für das 4. Quartal 1998 sowie das 1. Quartal 1999 Steuerabzugsbeträge i.H.v. insgesamt DM 16.592 für die oben genannten Veranstaltungen an und führte sie an den Beklagten ab.
Mit Schreiben vom 01.08.2002 beantragte die Beigeladene die Aufhebung der Steueranmeldungen, da – nach ihrer Auffassung – eine Pflicht zu deren Abgabe nicht bestanden habe. Mangels Betriebsstätte der Klägerin in der Bundesrepublik fehle es an einem deutschen Recht zur Besteuerung der gezahlten Vergütungen. Die Beigeladene berief sich insoweit auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen -DBA-Österreich- sowie auf das Ergebnis eines 1984/85 durchgeführten Verständigungsverfahrens. Darüber hinaus sei der Steuerabzug nach § 50a EStG nicht europarechtskonform.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Aufhebung der Steueranmeldungen mit Schreiben vom 21.08.2002 ab. Er verwies auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.05.1997 I R 79/96, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1998, 113, Entscheidungen des BFH -BFHE- 184, 281, gemäß der das Steuerfreistellungsverfahren die sich aus dem DBA-Österreich ergebende Steuerfreistellung nicht einschränke, sondern lediglich das innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung der Steuerbefreiung regele.
Hiergegen legte die Klägerin am 16.09.2002 Einspruch ein. Sie vertrat die Ansicht, der Steuerabzug sei von den Einkünften (i. S. der Nettobeträge), nicht von den „Umsätzen” (i. S. der Bruttobeträge) vorzunehmen. Sie habe in dem vom 01.09.1998 bis zum 31.08.1999 laufenden Geschäftsjahr Einkünfte i. H. v. 0,69% der „Umsätze” erzielt. Entsprechend müsse der Steuerabzug von 0,69% der „Umsätze” aus den Veranstaltungen vorgenommen werden. Zudem machte sie geltend, der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG sowie der Steuersatz i. H. v. 25% verstießen gegen Gemeinschaftsrecht.
Das Einspruchsverfahren ruhte im Hinblick auf beim BFH (Az. I R 75/01 und I R 57/02) und beim Gerichtshof der Europäischen Union -EuGH- anhängige Verfahren (Az. C-234/01) bis zum 11.03.2008. Danach erhielt die Klägerin ihren Einspruch unter Verweis auf ein beim Bundesverfassungsgericht -BVerfG- anhängiges Verfahren (Az. 2 BvR 1178/07) und auf ein durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen die Bundesrepubli...