Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherhebung des Zolls für von Estland nach Griechenland im Wege eines Streckengeschäfts durch das Zollgebiet der Gemeinschaft verschiffte Aluminiumlegierungen
Leitsatz (redaktionell)
- Stellt ein Inländer für Nichtgemeinschaftsware, die er im Streckengeschäft nach Griechenland veräußert, Versandpapiere T2L aus, so entsteht die Zollschuld im Zeitpunkt der fälschlichen Zuerkennung des zollrechtlichen Status von Gemeinschaftswaren durch Sichtvermerk des Zollamts, wenn die Ware zuvor bereits ohne Gestellungspflicht in eine Freizone des Zollgebiets der Gemeinschaft verbracht worden war.
- Werden die Versandpapiere T2L bereits am Tag der Verschiffung im Drittland ausgestellt und mit dem Sichtvermerk des Zollamts versehen, so entsteht die Zollschuld im Zeitpunkt des Verbringens der Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft.
Normenkette
ZK Art. 37 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 40, 202 Abs. 1, Art. 203 Abs. 1, 3, Art. 215 Abs. 1, Art. 220 Abs. 1, Art. 221 Abs. 1; ZKDV Art. 315 Abs. 1, Art. 316 Abs. 2, Art. 865
Streitjahr(e)
2001, 2002, 2003, 2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin bezog in den Jahren 2001 bis 2004 von der in Estland ansässigen A (A) Aluminiumlegierungen, die sie im Streckengeschäft an die in Griechenland ansässige B (B) veräußerte. Die Waren wurden im Hafen von „Q/Estland” verschifft und nach ihrem Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft entweder im Hafen von „S/Deutschland” oder im Hafen von „R/Belgien” umgeladen. Im Hafen von „S/Deutschland” war eine Freizone des Kontrolltyps I errichtet worden, während im Hafen von „R/Belgien” keine Freizone errichtet worden war. Nach der Umladung der Aluminiumlegierungen wurden diese unmittelbar auf dem Seeweg nach „P/Griechenland” weiterbefördert, von wo aus sie an die B ausgeliefert wurden. Die Klägerin stellte – vertreten durch die Zeugen X und Y – in dem Zeitraum vom 14. November 2001 bis zum 20. März 2004 in 48 Fällen für die Aluminiumlegierungen jeweils Versandpapiere T2L aus, die zusammen mit den von ihr für die B bestimmten Rechnungen dem Zollamt M vorgelegt wurden. Das Zollamt M versah die Versandpapiere T2L auf Grund der Angaben der Klägerin mit einem Sichtvermerk, was zur Folge hatte, dass die Aluminiumlegierungen nach ihrer Anlieferung bei der B nicht mehr verzollt wurden. Die Versandpapiere T2L wurden zum Teil nach der Verschiffung der Waren in „Q/Estland” ausgestellt. Teilweise wurden die Versandpapiere T2L am Tag der Verschiffung der Waren in „Q/Estland” oder an einem Tag oder mehreren Tagen vor der Verschiffung der Waren in „Q/Estland” ausgestellt. In einigen Fällen ist nicht mehr feststellbar, wann die Waren in „Q/Estland” verladen worden sind. Wegen der Einzelheiten der einzelnen Einfuhren wird auf die Anlagen 1 und 2 zu dem Steueränderungsbescheid vom 12. Juli 2006 (Bl. 60, 62 und 63 der Rechtsbehelfsakte des beklagten Hauptzollamts) Bezug genommen. In den Fällen K 14 und K 15 wurden die Aluminiumlegierungen am 14. August 2003 in „Q/Estland” verschifft und später in „R/Belgien” umgeladen.
Im Anschluss an Ermittlungen des Zollfahndungsamts N ging das beklagte Hauptzollamt davon aus, dass die Aluminiumlegierungen dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, dass ihnen fälschlicherweise der zollrechtliche Status von Gemeinschaftswaren zuerkannt worden sei. Es setze deshalb gegen die Klägerin mit Bescheid vom 7. Februar 2006 insgesamt 102.369,81 EUR Zoll fest. In dem Bescheid, welcher der Klägerin am 9. Februar 2006 zugestellt worden ist, wies das beklagte Hauptzollamt darauf hin, dass die Klägerin in Höhe von 35.659,40 EUR zusammen mit dem Zeugen X und in Höhe von 66.710,41 EUR zusammen mit dem Zeugen Y zur Zahlung verpflichtet sei.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Sie habe die Aluminiumlegierungen entweder von der A verzollt erworben oder unverzollt an die B weiterveräußert. Die Verzollung der Waren sei deshalb nicht von ihr vorzunehmen gewesen. Darüber hinaus seien die Waren in „S/Deutschland” sowie in „R/Belgien” umgeladen worden und hätten dort gestellt werden müssen, was offenbar unterblieben sei. Die Zollschuld sei daher entweder in „R/Belgien” oder in „S/Deutschland” entstanden, so dass die dortigen Behörden für die Nacherhebung des Zolls zuständig seien. Als Zollschuldner wären zudem die Frachtführer in Betracht gekommen, was im Rahmen der Ausübung des Auswahlermessens nicht berücksichtigt worden sei. Schließlich sei die Nacherhebung der Abgabenbeträge in 15 Fällen wegen Verjährung unzulässig.
Das beklagte Hauptzollamt änderte mit Bescheid vom 12. Juli 2006 den Bescheid vom 7. Februar 2006 dahingehend, dass es die Summe des nacherhobenen Zolls auf insgesamt 97.763,15 EUR reduzierte, indem es die Zollwerte nicht mehr auf der Grundlage der von der Klägerin der B in Rechnung gestellten Beträge, sondern auf der Grundlage der ihr von der A in Rechnung gestellten Beträge zuzüglich der Frachtkosten ermittelt...