Entscheidungsstichwort (Thema)
Konfusion von Steueranspruch und Steuerschuld durch Fiskalerbschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Im Fall der Konfusion von Steueranspruch und Steuerschuld durch den Eintritt der Fiskalerbschaft nach dem Steuerschuldner wird die Akzessorietät der in einem Duldungsbescheid nach dem Anfechtungsgesetz auferlegten Duldungsverpflichtung zu dem zugrunde liegenden Steueranspruch mit der Wirkung eingeschränkt, dass das Fortbestehen der zugrunde liegenden Steuerschulden fingiert wird.
- Fehlt die Nebenbestimmung, dass die Vollstreckung aus dem Duldungsbescheid von der Rechtsbeständigkeit der Steuerbescheide abhängt, wird dieser Rechtsfehler durch die nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzungen ergangene Einspruchsentscheidung geheilt.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1; AnfG § 1 Abs. 1, §§ 2, 3 Abs. 1 S. 1, § 14
Nachgehend
Tatbestand
Die Unternehmerin B (im Folgenden: B) betrieb zusammen mit ihrem Bruder (im Folgenden: C) von 1997 bis 2007 ein Restaurant, das sie 2007 an eine GmbH Ihres Sohnes weiterveräußerte. Wesentliche Umsätze aus dem Betrieb des Restaurants wurden nicht der Umsatzsteuer unterworfen; außerdem wurde kein ordnungsmäßiger Lohnsteuerabzug auf gezahlte Löhne vorgenommen.
Nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung kam es schließlich zu einem Strafverfahren gegen B und C. Beide wurden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung (... Urteil vom 9.03.2010). Das Gericht ging davon aus, dass B und C gemeinschaftlich Schwarzarbeit verdeckt, in großem Umfang Umsatz- und Lohnsteuern verkürzt und den Sozialversicherungsträgern Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge vorenthalten hatten. Hierdurch sei bei Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern ein Mindestgesamtschaden von über 688.000 € nachgewiesen worden. Zu Gunsten der Angeklagten B (gleichermaßen zu Gunsten des C) wurde insbesondere strafmildernd berücksichtigt, dass sie ”ein umfassendes, von Unrechtseinsicht und Reue getragenes Geständnis abgelegt“ habe und zusammen mit C ”bereits über die Hälfte des Schadens wiedergutgemacht“ habe. Durch ihr Geständnis und die Bereitschaft zur Erfüllung einer im Rahmen der Bewährung angeordneten erheblichen Arbeits- und Zahlungsauflage habe sie äußerlich erkennbar die Verantwortung für ihr Fehlverhalten übernommen.
Bereits im Verlauf der Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt) gegenüber der B im April 2007 personell gefertigte Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1997 bis 2004 (”Zwischenbescheide“ ohne Zinsfestsetzungen) mit sofort fälligen Nachzahlungen in Höhe von mehr als 500.000 €. Im November 2007 ergingen weitere Bescheide wegen Umsatzsteuer 2005 bis 2007.
Im Sommer 2007 erfuhr das Finanzamt von einem Grundstücksverkauf (mit notariellem Kaufvertrag vom 1.06.2007 des Notars ..., - im Folgenden: KV - ) zwischen der B (als Verkäuferin) und der Klägerin (als Käuferin). Die Klägerin ist die geschiedene Ehefrau des C. Sie erwarb von der B das Eigentum an dem bebauten Grundstück [...] in Z, wo die B zusammen mit ihrem Ehemann -vorher und auch weiterhin- wohnte (Gemarkung ..., Gebäude und Freifläche in der Größe von ...m²).
Vereinbart wurde ein Kaufpreis von 428.721,88 € (§ 3 Nr. 1 KV). Auf den Kaufpreis wurden angerechnet:
- Die Übernahme einer Briefgrundschuld, die zum 31.12.2006 noch mit 96.467,88 € valutierte, und des hierdurch gesicherten Kredits (befreiende Schuldübernahme mit Zustimmung der Gläubigerin, der G, vgl. § 3 Nr. 2 b) KV); der Notar wurde beauftragt, die Zustimmung der Gläubigerin zur Schuldübernahme einzuholen.
- Die Neubestellung eines dinglichen Wohnungsrechts zugunsten der B und ihres Ehemanns, auf deren Lebenszeit als Gesamtberechtigte (vgl. § 6 KV); dabei war geregelt, dass die B und ihr Ehemann alle öffentlichen Kosten und Lasten (mit Ausnahme von Aufwendungen, die das von der Klägerin übernommene Grundpfandrecht betrafen) weiterhin zu tragen hatten sowie Grundbesitzabgaben, Schönheitsreparaturen und alle Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen; diese Verpflichtung wurde auf den Kaufpreis in Höhe von 232.254 € angerechnet (§ 6 Nr. 3 KV).
- Außerdem war die Klägerin als Käuferin verpflichtet, zu Gunsten des Sohnes der B ”in separater notarieller Urkunde (...) ein unbefristetes und unwiderrufliches Angebot zum käuflichen Erwerb des Vertragsgegenstandes beurkunden zu lassen“ (§ 13 Nr. 1 KV); diese Verpflichtung wurde nicht wertmindernd berücksichtigt.
Der verbleibende Betrag des Kaufpreises in Höhe von 100.000 € war vereinbarungsgemäß innerhalb von 10 Tagen nach Kaufpreisfälligkeitsmitteilung des beurkundenden Notars zu zahlen (vgl. § 3 Nr. 2 a) KV); diese Mitteilung war an verschiedene Voraussetzungen geknüpft (Vorliegen sämtlicher Genehmigungen, Eintragung einer Erwerbsvormerkung, Nachweis der Abtretung der Briefgrundschuld vom noch im Grundbuch eingetragenen an den tatsächlichen Gläubiger u. Ä.). Der Notar war angewiesen, den Eigentum...