Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Postzustellungsurkunde erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 ZPO vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Der Gegenbeweis kann geführt werden; er muss die Beweiswirkung völlig entkräften.

 

Normenkette

AO § 110 Abs. 1, 3, § 122 Abs. 1 S. 2, Abs. 5

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob angefochtene Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheide wirksam bekannt gegeben und bereits bestandskräftig geworden sind.

Die Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Hamburg-... war in ihrem Steuerfahndungsbericht vom 8.11.1996 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller in den Jahren 1991 bis 1995 als selbstständiger Anlageberater auf Provisionsbasis tätig gewesen sei, wobei er pflichtwidrig weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuer- oder Gewerbesteuererklärungen abgegeben habe. Die auf Grund der Prüfung ergangenen Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Veranlagungszeiträume 1992 - 1995 wurden mit einfachem Brief am 4.4.1997 zur Post gegeben. Mit Schreiben vom 4.6.1997 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass ihm eine Mahnung seines Mandanten vom 28.5.1997 unverständlich sei, da sein Mandant Steuerbescheide für die in der Mahnung angesprochenen Kalenderjahre und Steuerarten bisher nicht erhalten habe. Der Antragsgegner veranlasste daraufhin am 11.6.1997 die Zustellung der Steuerbescheide per Post, wobei die Bescheide der einzelnen Steuerarten in getrennten Briefumschlägen versandt wurden und den Einkommensteuerbescheiden ein Schreiben beilag, in dem der Beklagte darauf hinwies, dass die auf Grund des Steuerfahndungsberichtes ergangenen Steuerbescheide erneut zugestellt werden, eine Zustellung an den Bevollmächtigten wegen Mängeln der vorgelegten Vollmachtsurkunde jedoch nicht möglich sei. Die von dem Antragsteller vorgelegte Vollmacht ließ nämlich nicht erkennen, welche Person der Antragsteller bevollmächtigen wollte. Da die drei Postzustellungsaufträge den Vermerk enthielten "Ersatzzustellung ausgeschlossen" sandte der Postbedienstete die drei Briefumschläge an den Antragsgegner zurück, nachdem er den Antragsteller persönlich in der Zeit vom 13. bis 16.6.1997 nicht antreffen konnte. Nach Rücksprache mit der Leiterin des Postamtes ... in Hamburg brachte der Beklagte die Postzustellungsaufträge daraufhin zu dem zuständigen Postamt zurück, das die Zustellung erneut versuchte. Die entsprechenden drei Postzustellungsurkunden gelangten am 20.6.1997 an den Antragsgegner zurück. Während auf den Urkunden für die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide jeweils der 19.6.1997 als Datum der Niederlegung vermerkt war, erfolgte die Zustellung durch Niederlegung für die Einkommensteuerbescheide am 20.6.1997.

Mit Telefax vom 21.7.1997, einem Montag, legte der Bevollmächtigte des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 - 1995 Einsprüche ein. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren kam in dem anschließenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht Hamburg (II 139/99) auch das Schicksal der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide zur Sprache. Nachdem die Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins am 10.12.1999 eine tatsächliche Verständigung hinsichtlich der einkommensteuerlichen Besteuerungsgrundlagen getroffen hatten, wandte sich der Bevollmächtigte des Klägers an den Antragsgegner und wies darauf hin, dass die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 1992 - 1995 nicht bekannt gegeben worden seien, da entgegen dem Anschreiben vom 11.6.1997 in dem Umschlag lediglich die Einkommensteuerbescheide gewesen wären. Mit Schreiben vom 10.2.2000 antwortete der Antragsgegner, dass die Bescheide jeweils getrennt nach Steuerarten zugestellt worden seien. Mit Schreiben vom 9.3.2000 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte vorsorglich Einsprüche gegen die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1992 bis 1995 ein. Zur Begründung führte er aus, dass er bestreite, dass der Postbote am 19.6.1997 den Benachrichtigungszettel für die vorgenommene Zustellung wie bei gewöhnlichen Briefen üblich in den Hausbriefkasten eingelegt habe. Der Antragsteller habe nämlich keinen eigenen Hausbriefkasten, die Post für die vier Bewohner des Hauses werde vielmehr durch einen Briefkastenschlitz in der Hauseingangstür eingeworfen. Den Benachrichtigungszettel über den Zustellungsversuch am 20.6.1997 habe er dagegen erhalten und daraufhin das entsprechende Schreiben bei dem Postamt abgeholt. Da er keine Kenntnis von dem Benachrichtigungszettel für Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheide erhalten habe, seien diese auch nicht über die Zustellung durch Niederlegung wirksam bekannt gegeben worden. Vorsorglich beantrage er Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 5.3.2000 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenso wie den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der A...

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