rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit einer Abrechnung nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO
Leitsatz (redaktionell)
Die Änderung einer Anrechnungsverfügung über Einkommensteuervorauszahlungen setzt eine gesetzliche Grundlage gemäß § 130 AO voraus.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 1-2; AO § 130 Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger begehrt die volle Anrechnung der von ihm geleisteten Vorauszahlungen auf die gegen ihn festgesetzte Steuer für 1995.
1. Der Kläger und seine damalige Ehefrau wurden seit dem Veranlagungszeitraum 1989 zusammen veranlagt. Jedenfalls bis April 1996 (Schreiben vom 15. April 1996, Einkommensteuerakte - ESt-A - Band 3, Bl. 30) trat der steuerliche Berater gegenüber dem Beklagten für den Kläger und seine Ehefrau gemeinsam auf; auf eine Trennung deutete nach Lage der Akten nichts hin. Mit seiner Steuererklärung 1994 vom 23. September 1996 beantragte der Kläger erstmals die getrennte Veranlagung. (ESt-A Band 3, Bl. 53) Die Ehe ist seit Dezember 1996 geschieden.
Mit Einkommensteuerbescheid 1992 vom 4. August 1995 waren für die Eheleute Vorauszahlungen 1995 in Höhe von 3.239 DM Einkommensteuer, 103 DM ev. Kirchensteuer und 242 DM Solidaritätszuschlag zum 10. September und zum 10. Dezember festgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 14. August 1995 (ESt-A Band 2, Bl. 32) stellte der steuerliche Berater namens und in Auftrag des Klägers und seiner Ehefrau einen Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 1995. Das Schreiben mit dem Betreff "A - 07/481/01284 - Eheleute E, Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen" hatte im Auszug folgenden Wortlaut:
"Seit dem 9.1.1995 übt Frau E eine nichtselbständige Tätigkeit beim C aus, so dass die Vorauszahlungen mit dem Lohnsteuerabzug bereits abgegolten sind.
Namens und im Auftrag der Eheleute E beantrage ich deshalb, die Vorauszahlungen wie folgt festzusetzen:
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DM |
Einkünfte EM |
26.371,00 |
Einkünfte EF |
93.589,00 |
GdE |
119.960,00 |
Sonderausgaben |
-18.453,00 |
Pauschbetrag |
-216,00 |
zvE |
101.291,00 |
Tarif lt. Splittingtabelle |
22.272,00 |
Lohnsteuer (Steuerklasse III) |
-18.282,00 |
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3.990,00 |
vierteljährliche Vorauszahlung |
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ESt |
1.995,00 |
SolZ |
7,5 % |
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149,62 |
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2.144,62“ |
Der Beklagte setzte die Vorauszahlungen antragsgemäß fest.
2. Im Abrechnungsteil des auf Grundlage einer getrennten Veranlagung am 24. März 1998 ergangenen Einkommensteuerbescheides 1995 für den Kläger rechnete der Beklagte diesem die Vorauszahlungen von 3.990 DM Einkommensteuer und 298 DM Solidaritätszuschlag uneingeschränkt an. Der Bescheid wurde dem steuerlichen Berater bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 9. September 1998 (ESt-A Band 3, Bl. 103) stellte die ehemalige Ehefrau des Klägers bei dem mittlerweile für sie zuständigen Finanzamt Hamburg-... einen Aufteilungsantrag betreffend die Steuervorauszahlungen für 1995 mit der Maßgabe, ihr die Hälfte der für 1995 geleisteten Vorauszahlungen des Ehepaares E zuzurechnen.
Der Beklagte gab dem Kläger nach interner Prüfung (ESt-A Band 3, Bl. 105) unter dem 28. September 1998 Gelegenheit, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen (ESt-A Band 3, Bl. 106); der Kläger vertrat mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 die Ansicht, dass aus dem Herabsetzungsantrag vom 14. August 1995 erkennbar sei, dass er die Vorauszahlungen allein für eigene Rechnung gezahlt habe. (ESt-A Band 3, Bl. 107)
Mit Schreiben vom 6. Oktober 1998 erläuterte der Beklagte, dass die Vorauszahlungen für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden seien. Das habe zur Folge, dass beide Ehegatten erstattungsberechtigt seien und die Aufteilung nach Köpfen erfolge. Es sei ein Abrechnungsbescheid zu erteilen.
In dem geänderten Abrechnungsbescheid vom 6. Oktober 1998 (ESt-A Band 3 Bl. 111) ermäßigte der Beklagte die zugunsten des Klägers anzurechnenden Beträge auf 1.995 DM Einkommensteuer und 149 DM Solidaritätszuschlag.
3. Mit Einspruch vom 13. Oktober 1998 wandte der Kläger sich gegen die nur hälftige Anrechnung der Vorauszahlungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - komme es darauf an, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten sei, getilgt werden sollte. Sein Wille sei in Form des Herabsetzungsantrages vom 14. August 1995 erkennbar hervorgetreten.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1999 zurück. In der Begründung führte er im wesentlichen aus, dass es im Zeitpunkt der Zahlung nicht zu erkennen gewesen sei, dass der Kläger die Zahlung mit dem Willen geleistet habe, nur seine Steuerschuld zu tilgen. In einer intakten Ehe müsse davon ausgegangen werden, dass der zahlende Ehegatte auch die Steuerschuld des anderen Ehegatten tilgen wolle. Mangels anderer Anhaltspunkte seien die geleisteten Beträge nach Köpfen zu verteilen.
Der Abrechnungsbescheid ändere die Abrechnung gemäß § 130 Absatz 2 Nr. 4 AO; die rechtswidrige begünstigende Anrechnung von zu hohen Vorauszahlungen sei dem Steuerberater infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt gewesen. Die Aufteilung en...