Entscheidungsstichwort (Thema)
Abziehbarkeit von freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen bei gleichzeitigem Bezug steuerfreier Einkünfte
Leitsatz (redaktionell)
1) Werden im Zeitraum einer Auslandstätigkeit, deren Vergütungen unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt sind, freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt, sind diese als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen.
2) Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht gegeben, wenn die Beitragszahlung nicht auf einer sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung, sondern auf einem freien Entschluss des Steuerpflichtigen beruht.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abziehbarkeit von freiwilligen Beiträgen zur Rentenversicherung bei gleichzeitigem Bezug steuerfreier Einkünfte.
Der im Inland wohnende, verheiratete Kläger wurde im Streitjahr 2011 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte bis zum 30.04.2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland in Höhe von 16.870 EUR. Ab dem 01.05.2011 arbeitete er als Arbeitnehmer in Aserbaidschan. Die dort erzielten Einkünfte in Höhe von 81.907 EUR wurden im Inland als steuerfrei behandelt und im Rahmen des Progressionsvorbehalts versteuert. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 neben seinen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2011-30.04.2011 von insgesamt 1.778 EUR auch freiwillig geleistete Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum 01.05.2011-31.12.2011 i.H.v. 6.000 EUR als Sonderausgaben geltend.
Unter dem 23.11.2012 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Darin berücksichtigte er nur die Beiträge i.H.v. 1.778 EUR. Die Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit ab Mai 2011 blieben ohne Ansatz. Der Beklagte begründete dies damit, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Beiträgen und den steuerfreien Einnahmen bestehen würde. Der Bescheid erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten. Die steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden i.H.v. 16.870 EUR angesetzt.
Mit Schreiben vom 27.11.2012 legte der Kläger Einspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung führte er aus, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang gerade nicht vorläge, da es sich um freiwillige Beiträge und nicht um Pflichtbeiträge handeln würde. Ein solcher Zusammenhang sei nur bei Pflichtbeiträgen der Arbeitnehmer zur gesetzlichen Sozialversicherung anzunehmen. Seine ausländischen Einkünfte seien weder zweckbestimmt, noch bestehe eine Beziehung mit den freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen. Die Höhe der geleisteten Beiträge sei frei bestimmt worden, unabhängig von der Höhe der ausländischen Einkünfte.
Unter dem 13.09.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Sonderausgabenabzug sei nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ausgeschlossen. Die freiwillig gezahlten Rentenversicherungsbeiträge seien grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Vorsorgeaufwendungen abziehbar. Dem Sonderausgabenabzug stünde jedoch der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen entgegen. Dieser Zusammenhang bestehe zwischen den vom Kläger geleisteten Rentenversicherungsbeiträgen und seinen im Inland steuerbefreiten Einkünften aus der in Aserbaidschan ausgeübten Tätigkeit. Zu § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG habe der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen sei, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst seien (vgl. BFH, Urteil vom 18.7.1980, VI R 97/77, BStBl. II 1981, 530 und vom 29.4.1992, I R 102/91, BStBl. II 1993, 149). Diese Voraussetzung sei dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erziele und gleichzeitig aus diesen Mitteln Beiträge an einen Rentenversicherungsträger leiste. In diesem Fall ginge die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Beiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit werde bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen (BFH, BStBl. II 1993, 149). Die Unmittelbarkeit des Zusammenhanges werde dadurch bestätigt, dass der Zeitraum, auf den sich die streitigen Rentenversicherungsbeiträge beziehen (01.05.2011 – 31.12.2011), identisch sei mit den Zeitraum, in dem der Kläger die steuerfreien Einnahmen erzielt habe. Die steuerfreie Tätigkeit des Klägers sei damit allein ursächlich für die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge gewesen. Dass die Höhe der geleisteten Beiträge unabhängig von der Höhe der steuerfreie...