Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung nach § 77 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem Bevollmächtigten im Kindergeldverfahren steht keine Erledigungsgebühr gemäß § 77 EStG i.V.m. Nr. 1002 VV RVG zu, wenn er weder einen eigenen Verständigungsvorschlag unterbreitet noch auf die Klägerin oder die beklagte Familienkasse zur Streitbeilegung einwirkt, sondern sich lediglich auf Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und auf die Stellung von Anträgen beschränkt.

 

Normenkette

VV RVG Nr. 1002; EStG § 77

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenerstattung nach § 77 EStG, insbesondere die Entstehung einer Erledigungsgebühr.

Mit Bescheid vom 25. August 2009 hatte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin ab Mai 2008 aufgehoben und die Klägerin gleichzeitig zur Erstattung der nach ihrer Ansicht für die Monate Mai und Juni 2008 überzahlten 308 EUR aufgefordert, weil der Kindesvater den Sohn P in seinen Haushalt aufgenommen habe. Zugrunde lag eine Fehlinformation der Familienkassen über eine angebliche amtliche Bestätigung betreffend die Aufnahme des Kindes in den Haushalt des Vaters zum 1. Mai 2009.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens, in dem die Klägerin durch ihren jetzigen Bevollmächtigten, ihren Ehemann, vertreten wurde, machte dieser unter Hinweis auf die nicht zutreffende Bescheinigung der Familienkasse D geltend, das Kind P habe bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres (25. Juni 2008) dem alleinigen Sorgerecht seiner Mandantin unterstanden. Ein Wohnortwechsel in das 221 km entfernte F wäre deshalb bereits aus rechtlichen Gründen und nicht ohne Schulwechsel möglich gewesen. Auch die vorgelegte Schulbescheinigung des städtischen Gymnasiums bestätige den Schulbesuch in K.

Mit Abhilfebescheid vom 7. Oktober 2009 wurde dem Begehren der Klägerin in vollem Umfang entsprochen und die Erstattung der für das Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen angeordnet; die Zuziehung des Bevollmächtigten wurde für notwendig erklärt.

Mit seiner Kostenrechnung vom 8. Oktober 2009 begehrte der Bevollmächtigte die Erstattung eines Betrags von 705,08 EUR, darin enthalten u.a. eine Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002, 1005 VV RVG i.H.v. 280 EUR.

Mit Kostenfestsetzung vom 5. November 2009 wurden die dem Bevollmächtigten zu erstattenden Kosten für das Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung einer 1,3 Geschäftsgebühr (Gegenstandswert: 1.000 EUR Mindeststreitwert; volle Gebühr: 85 EUR) auf 155,30 EUR festgesetzt. Dabei wurde weder eine Erledigungsgebühr berücksichtigt, noch wurden die vom Bevollmächtigten angesetzten Kosten für Kopien übernommen, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen seien.

Der Einspruch, mit dem der Bevollmächtigte sich gegen den Nichtansatz der beantragten Erledigungsgebühr wandte, blieb ohne Erfolg, weil es nach Ansicht der Beklagten an der für die Entstehung einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung des Bevollmächtigten fehle (Einspruchsentscheidung vom 17. November 2009).

Die Klägerin macht geltend, die Erledigungsgebühr entstehe auch dann, wenn der Bevollmächtigte Einspruch einlege, auf tatsächliche und rechtliche Aspekte hinweise und die Behörde daraufhin ihren Standpunkt aufgebe bzw. den begehrten Bescheid erlasse. So habe der Bevollmächtigte Kontakt zu mittelbar Verfahrensbeteiligten aufgenommen und sich etwa um die Beibringung der erforderlichen Schulbescheinigung bemüht bzw. zum Sachbearbeiter der Familienkasse D Kontakt aufgenommen; gleichzeitig habe er eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt D gestellt. Schließlich habe er den Sachverhalt durch Einholung einer Erklärung des betroffenen Kindes geklärt. Daher seien die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung einer 1,5 Erledigungsgebühr mit 307,02 EUR festzusetzen (Kindergeld-Akte, Bl. 118).

Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 17. November 2009 aufzuheben und die Festsetzung der für das Vorverfahren zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung einer 1,5 Erledigungsgebühr dahin zu ändern, dass die zu erstattenden Kosten mit insgesamt 307,02 EUR festgesetzt werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet, weil es an der für die Entstehung einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung des Bevollmächtigten fehlt.

1. Nach § 77 Abs. 1 S. 1 EStG hat die Familienkasse dem Einspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind die Gebühren oder Auslagen eines Bevollmächtigten, der – wie der Bevollmächtigte im Streitfall – nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung – wie im Streitfall – notwendig war.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die bereits im Vorverfahren obsiegt hat,...

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