rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern trotz gelegentlichen Kontaktes
Leitsatz (redaktionell)
Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern besteht nicht mehr, wenn die leiblichen Eltern bspw. wegen Alkoholproblemen nicht in der Lage sind, sich um ihr Kind zu kümmern und der vom Kind lediglich aus Pflichtbewusstsein aufrechterhaltene Kontakt zu ihnen eher eine Belastung für das Kind darstellt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegt.
Das Kind A., die Schwester der Klägerin, lebte bis … im Haushalt ihrer Eltern in B.. Wegen Alkoholproblemen der Eltern kam A. im … im Rahmen der Gewährung von Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII in ein Kinderheim. In der Zeit bis Ende … wurde A. von ihren Eltern im Kinderheim ausweislich der Heimakte nicht besucht. Ende … verzogen A. Eltern nach C.. Kurz vor dem Umzug hat A. ihre Eltern besucht, was allerdings wegen der Alkoholprobleme der Eltern eher zur Belastung von A. wurde. A. erklärte, im Kinderheim bleiben und die Eltern auf keinen Fall nach C. begleiten zu wollen. Wenn man sie zwinge, werde sie weglaufen, weil sie befürchte, wieder geschlagen zu werden.
Wegen der großen Entfernung besuchten die Klägerin und A. ihre Eltern in der Folgezeit ausweislich der Heimakte nur noch gelegentlich. A. tat dies nur aus Pflichtbewusstsein. Ein Weihnachtsbesuch wurde von A. vorzeitig beendet, weil die Eltern erneut getrunken hatten. Die Mutter übte bei ihren Anrufen im Heim mit Selbstmorddrohungen Druck auf A. aus, das Heim zu verlassen und zu ihr zu kommen. Mit zunehmender Dauer des Heimaufenthalts distanzierte sich A. ausweislich der Heimakte immer mehr von ihren Eltern und ließ sich schließlich nur noch selten auf Telefongespräche ein.
Das Kindergeld von A. bis einschließlich Oktober … wurde an ihren Vater ausgezahlt. Anfang … verließ A. das Heim. Eine Unterbringung bei den alkoholkranken Eltern schied aus familiären und gesundheitlichen Gründen aus. Da sich die Klägerin schon während der Heimunterbringung regelmäßig um A. gekümmert hatte, befürwortete das Landratsamt ausweislich der Behördenakte eine nicht nur vorübergehende Unterbringung A.s bei der Klägerin. A. lebte deshalb seit Anfang … bei der Klägerin, die Sozialhilfeempfängern ist. Am … beantragte die Klägerin beim Landratsamt D. Leistungen nach dem BSHG für A..
Mit Antrag vom …, eingegangen beim Beklagten am …, beantragte die Klägerin Kindergeld für A.. Zur Begründung gab sie an, A. wohne seit dem Verlassen des Heims auf eigenen Wunsch in ihrem Haushalt, um wieder in einer Familie leben zu können. A. solle auf unbestimmte Dauer in ihrer Obhut bleiben. Sie versorge A. ganztägig und durchgehend an allen Wochentagen. Vom Landratsamt D. erhalte sie monatlich lediglich … DM für den Unterhalt und die Erziehung von A.. Eine Pflegeerlaubnis habe das Jugendamt nicht erteilt, weil die in C. lebenden Eltern von A. der Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses nicht zugestimmt hätten. Weiter gab sie an, A. werde von ihren Eltern in unregelmäßigen Abständen besucht. A. besuche auch ihre Eltern und halte sich dann an einem Tag in der Woche bei ihnen auf.
Mit Bescheid vom … lehnte der Beklagte den Kindergeldantrag ab. Zur Begründung führte er aus, es liege kein Pflegekindschaftsverhältnis vor. Ein Kind, das sich wechselweise bei der Pflegeperson und bei seinen Eltern aufhalte, sei nicht in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen.
Dieser Bescheid wurde nicht nur von der Klägerin, sondern auch vom Landratsamt D. mit der Begründung angefochten, dass A. in ihrem Haushalt lebe und eine Unterbringung bei den Eltern nicht möglich sei. Es handle sich um eine Vollunterbringung mit echtem Betreuungs- und Pflegeverhältnis und nicht um eine nur zeitweise Unterbringung.
Nachdem die Klägerin, die in der Anfangszeit von ihrem früheren Partner getrennt gelebt hatte, eine neue Beziehung eingegangen war, bezog A. am … wegen der beengten räumlichen Verhältnisse einen eigenen Hausstand innerhalb einer Wohngemeinschaft. Wegen des angekündigten Umzugs trat ein Zuständigkeitswechsel ein, sodass seit Juli … nicht mehr das Landratsamt D. für A. zuständig war, sondern das Sozialamt C..
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, es handle sich um ein echtes Pflegekindschaftsverhältnis. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern bestehe nicht. Die Eltern kümmerten sich nicht um ihre Kinder. Regelmäßiger Kontakt zu den Eltern bestehe nicht mehr. Der Kontakt beschränke sich auf wenige kurze Besuchstermine im Jahr. Häufigere Besuche seien wegen der Alkoholerkrankung der Eltern auch gar nicht möglich, wie der zuständige Sachbearbeiter des Jugendamts der Stadt C. bestätigen könne. Besuche der Eltern bei der Klägerin und ihrer Schwester fänden überhaupt nicht statt. Es beruhe auf glücklichen Umständen, dass A. ab … einen eigenen Hausstand habe beziehen...