Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteueransprüche nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz (redaktionell)
1) Die nach der Insolvenzeröffnung entstehende Kraftfahrzeugsteuer ist grundsätzlich Masseverbindlichkeit, weil sie durch den Verwalter der Insolvenzmasse begründet wird.
2) Kraftfahrzeugsteueransprüche für Zeiträume nach einer Freigabe der Fahrzeuge durch den Insolvenzverwalter sind auch dann keine Masseverbindlichkeiten, wenn die Voraussetzungen für ein Ende der Steuerpflicht nach § 5 Abs. 4 und 5 KraftStG nicht vorliegen.
3) Analog § 9 Abs. 5 Satz 2 KraftStG entfällt die Eigenschaft als Masseverbindlichkeit bereits mit dem Tag der Freigabe.
Normenkette
KraftStG § 5 Abs. 4-5, § 9 Abs. 5; InsO § 55; KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Finanzbehörde den Insolvenzverwalter zur Kraftfahrzeugsteuer noch für den Zeitraum heranziehen darf, nachdem dieser ein zur Insolvenzmasse gehörendes Kraftfahrzeug dem Schuldner freigegeben hat, aber weder die Straßenverkehrs – noch die Finanzbehörde davon Kenntnis erlangt haben.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH mit Sitz in …. Gesellschafterin ist die in der Schweiz ansässige Y AG, Geschäftsführerin war die … S.
Für die GmbH waren vier Kraftfahrzeuge zum Verkehr zugelassen, nämlich drei PKW – der BMW 3 C (316 i) mit dem Kennzeichen A, der BMW 3 B (316 i) mit dem Kennzeichen B und der Mercedes Benz 170 (SLK 230 Kompressor) mit dem Kennzeichen C sowie der LKW Volkswagen 70 X 02A (Transporter) mit dem Kennzeichen D. Der Beklagte hatte die Kraftfahrzeugsteuer zuletzt wie folgt festgesetzt:
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Bescheiddatum |
Steuerbetrag |
Jährlich ab dem |
A |
29.11.2004 |
242,00 EUR |
11.01.2005 |
B |
24.05.2005 |
242,00 EUR |
06.07.2005 |
C |
05.07.2004 |
169,00 EUR |
18.08.2005 |
D |
10.08.1998 |
160,55 EUR |
08.07.2005 |
Am 1. September 2005 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts … über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Geschäftsräume der GmbH in … wurden kurz darauf geräumt.
Mit Schreiben vom 26. September 2005 erklärte der Kläger betreffend das Insolvenzverfahren der GmbH gegenüber der Frau S – ohne Beifügung eines Zusatzes – adressiert an deren Privatanschrift … Straße … in … und anknüpfenden vorherige Korrespondenz Folgendes:
„Vor dem Hintergrund der kollidierenden Drittrechte und dem Umstand, dass mit einer nennenswerten Beteiligung der Insolvenzmasse am Verwertungserlös nicht zu rechnen ist, erkläre ich hiermit die Freigabe der gesamten schuldnerischen Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie der noch vorhandenen Warenvorräte aus dem Insolvenzbeschlag. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Gegenstände ab sofort zum pfändungsfreien Vermögen der Schuldnerin zählen.”
Das Schreiben traf bei Frau S am Donnerstag, dem 29. September 2005 ein.
Nach dieser Freigabe übertrug die GmbH ihre Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie die Warenvorräte jedenfalls teilweise auf Frau S persönlich, die damit in … unter neuer Firma ein Ladengeschäft eröffnete.
Die Fahrzeuge der GmbH wurden beim Straßenverkehrsamt um- bzw. abgemeldet und zwar gemäß den nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KraftStDV erstellten Mitteilungen am:
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Datum |
A |
05.12.2005 |
B |
30.11.2005 |
C |
24.11.2005 |
D |
12.12.2005 |
Mit Bescheiden vom 20. März 2006 bzw. vom 3. April 2006 setzte der Beklagte für jedes Fahrzeug für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis einen Tag vor dem von der Straßenverkehrsbehörde mitgeteilten Datum der Ab- bzw. Ummeldung die anteilige Kraftfahrzeugsteuer gegenüber dem Kläger wie folgt fest:
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Steuerbetrag |
A |
63,00 EUR |
B |
59,00 EUR |
C |
38,00 EUR |
D |
44,00 EUR |
Zugleich forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung auf und wies in einem aufgestempelten Zusatz jeweils darauf hin, dass es sich insoweit um Masseverbindlichkeiten handele. Die gegen die Bescheide vom 20. März 2006 bzw. vom 3. April 2006 durch den Kläger eingelegten Einsprüche wies der Beklagte am 15. August 2006 als unbegründet zurück.
Mit der am 7. September 2006 erhobenen Klage rügt der Kläger, dass der Beklagte die Kraftfahrzeugsteuer auch für die Zeit nach der Freigabe der Fahrzeuge geltend mache. Dabei hat der Kläger die Besteuerung in der Klageschrift bereits ab dem 26. September 2005 – Datum des Freigabeschreibens – und zuletzt lediglich ab dem 29. September 2005 – Eintreffen bei Frau S – für rechtswidrig angesehen.
Der Kläger meint, die im Streitfall aufgeworfene Frage sei durch das BFH-Urteil vom 16. November 2004 (VII R 62/03, BStBl II 2005, 309 [310 und 311]) im Sinne des Klagebegehrens bereits geklärt. Im Streitfall gehe es nicht um die Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht und die dabei maßgeblichen Normen. Es sei infolge der insolvenzrechtlichen Freigabe nur ein Wechsel in der Person des Zahlungspflichtigen eingetreten. Ein steuerfreier Zeitraum entstehe nicht. Die mit Schreiben vom 26. September 2005 erklärte Freigabe sei ab dem Tag des Einganges bei Frau S am 29. September 2005...