Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige - verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Anwendung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO wird durch die Regelung des § 171 Abs. 9 AO nicht ausgeschlossen.
2) Maßgebender Zeitpunkt für den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO ist der notwendig vor Ablauf der Festsetzungsfrist liegende Beginn der Ermittlungen; einer förmlichen Anordnung der Ermittlungen bedarf es nicht.
3) Die Anforderung von Unterlagen ist eine hinreichend gewichtige Ermittlungsmaßnahme, wenn für den Stpfl. erkennbar ist, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird.
4) Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung i.S. des § 171 Abs. 5 AO können entweder im Steuerstrafverfahren oder Besteuerungsverfahren durchgeführt werden.
Normenkette
AO § 171 Abs. 5, 9, § 169
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob betreffend den Einkommensteuerveranlagungszeitraum 1999 bezüglich des geänderten Einkommensteuerbescheides vom 04.07.2011 Festsetzungsverjährung vorliegt.
Mit Schreiben vom 06.03.2010, beim Beklagten eingegangen am 05.03.2010, erklärte der Kläger für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008 unter der Steuernummer 1 Kapitaleinkünfte nach. Das Schreiben befindet sich in einer Akte des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steufa A „Listennummer …, B Geschäftszeichen: 2”.
Entsprechend einem Vermerk der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A (Blatt 2 der Steufa-Akte) ist das Schreiben vom 05.03.2010 dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung am 16.03.2010 vom Beklagten übermittelt worden. Am 18.03.2010 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A – Straf- und Bußgeldstelle – gegenüber dem Kläger das Strafverfahren ein wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in den Jahren 2005 ff. durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2008. Mit Schreiben vom gleichen Tag an den Kläger erfolgte die Aufforderung, die konkreten Besteuerungsgrundlagen und die zu deren Prüfung erforderlichen Unterlagen bis zum 19.05.2010 einzureichen. Dies gelte nicht nur für die Zeiträume, für die das Strafverfahren eingeleitet worden sei, sondern auch für frühere Zeiträume, sofern in diesen Angaben zu Besteuerungsgrundlagen unterlassen worden seien und die verlängerte Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 1. Alternative AO noch nicht abgelaufen sei. In dem Einleitungsvermerk wird das Schreiben des Klägers vom 05.03.2010 als Selbstanzeige gemäß § 371 AO bewertet. Ferner ist unter Ziffer 9 der Verfügung, die insgesamt von dem zuständigen Sachgebietsleiter unterschrieben ist, vermerkt: Urschriftlich mit einem Band Strafakten an das Strafa-FA A – Steuerfahndungsstelle – übersandt mit der Bitte, Ermittlungen aufzunehmen. Entgegen den anderen in der Verfügung enthaltenen Ziffern befindet sich dieser Ziffer keine Paraphe des zuständigen Bearbeiters (Blatt 67 Steufa).
Mit Schreiben unter dem 07.03.2010, eingegangen beim Beklagten am 05.03.2010 und weitergeleitet an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A am 12.03.2010 wies der Kläger unter der Steuernummer: 3 auf die am selben Tag erfolgte Abgabe einer Schenkungssteuererklärung über einen Vorerwerb vom 15.07.2002 hin mit dem Ziel einer Berichtigung der Erbschaftsteuererklärung. Entsprechend der Schenkungssteuererklärung waren dem Kläger von der am 2008 verstorbenen B1, seiner Mutter, Gegenstände zu einem Gesamtwert von 234.304,– € zugewendet worden. In einem Erweiterungsvermerk des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A – Straf- und Bußgeldstelle – wurde auch dieses Schreiben vom 05.03.2010 als Selbstanzeige gewertet und das bereits gegenüber dem Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Erbschaftsteuererklärung auf den 01.02.2008 erweitert (Az.: 2/1). Auch in dieser Verfügung ist unter Tz. 9 ohne eine Paraphe eines Bearbeiters, aber insgesamt vom Sachgebietsleiter unterschrieben, vermerkt, dass die Steuerfahndungsstelle gebeten worden ist, die Ermittlungen aufzunehmen.
Am 21.04.2010 wurde Herr Steueramtmann H von der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A unter dem Az.: 2/2 beauftragt, die strafrechtlichen Ermittlungen in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren durchzuführen sowie bei dem Kläger die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. In dem Prüfungsauftrag wird auf die Selbstanzeige vom 06.03.2010 (Nacherklärung ausländischer Kapitalanlagen sowie Vorwegschenkung 2002) hingewiesen (Bl. 117 Steufa-Akte).
Mit Schreiben vom 19.05.2010 teilte der Kläger dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A mit, die mit dessen Schreiben vom 18.03.2010 angeforderten Erklärungen und Unterlagen seien beim Beklagten fristgerecht eingereicht worden. Zu dem Geschäftszeichen 2/2 teilte die Steuerfahndun...