Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Abzugssteuern
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Erstattungsanspruch des Vergütungsgläubigers auf Erstattung der Abzugssteuern nach § 50a Abs. 4 EStG setzt gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG den Einbehalt und die Abführung der einbehaltenen Steuern voraus.
2) § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
EStG § 50a Abs. 4; AO § 155 Abs. 1 S. 3; EGV Art. 49; AEUV Art. 56; EStG § 50d Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Abzugssteuern nach § 50 d Abs. 1 i.V.m. § 50 a Abs. 4 Nr. 1 EStG zusteht.
Die Klägerin ist eine nach österreichischem Recht gegründete GmbH. Als Produktionsfirma ist sie insbesondere für die Überlassung und Vermarktung der „E” (heute: „E”) zuständig.
Mit Antrag vom 1. September 2003 beantragte die Klägerin eine Freistellungsbescheinigung und die Erstattung von Steuerabzugsbeträgen i.S.d. § 50 a EStG i.H.v. 9.736,40 DM (= 4.978,14 EUR) für Vergütungen, die sie vom F e.V. als Vergütungsschuldner für ein Konzert der „E” am 17. Juni 1994 erhalten hatte. Dem Antrag war eine durch den Vergütungsschuldner ausgefüllte Steuerbescheinigung vom 25. März 2002 beigefügt, aus der ein einbehaltener Steuerabzugsbetrag i.H.v. 9.734,40 DM hervorging.
Gemäß der Bestätigung des zuständigen Finanzamtes G vom 18. April 2005 wurden diese Steuerabzugsbeträge i.H.v. 9.734,40 DM angemeldet, jedoch nicht in voller Höhe entrichtet. Die an das Finanzamt G entrichtete Steuer betrug 8.282,22 DM (= 4.234,63 EUR). Der Differenzbetrag i.H.v. 1.454,18 DM (= 743, 51 EUR) wurde gemäß § 261 AO niedergeschlagen, da seinerzeit eine fruchtbare Vollstreckung in das Vermögen des Vergütungsschuldners keinen Erfolg versprach.
Mit Freistellungsbescheid vom 2. Mai 2005 wurden die Vergütungen für die Überlassung eines Künstlers/einer Künstlergruppe (hier: Konzert der „E” am 00. Juni 1994 in H) für den Zeitraum 1. Juni bis 30. November 1994 freigestellt. Aus der dem Freistellungsbescheid beigefügten Erstattungsmitteilung ging ein Erstattungsbetrag i.H.v. 8.282,22 DM hervor. Die Erstattungsmitteilung war mit dem Hinweis versehen worden, dass nur die Steuerabzugsbeträge erstattet werden könnten, die auch bei dem zuständigen Finanzamt angemeldet und abgeführt worden seien.
Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass sie nationale und internationele Tourneeprojekte mit der Künstlergruppe „E” veranstalte. Sie habe sich dabei in Deutschland im Jahre 1994 und in den Folgejahren einer Vielzahl sog. örtlicher Veranstalter bedient (allein 1994 und 1995 mehr als 50).
Nach Art. 4 des seinerzeit gültigen DBA Österreich sei sie von der Besteuerung befreit gewesen, da Einkünfte einer Kapitalgesellschaft nicht unter das Besteuerungsrecht für künstlerische Einkünfte i.S.d. Art. 8 DBA-Österreich fielen.
Zu erstatten sei jedoch nicht nur der abgeführte, sondern der einbehaltene Steuerabzugsbetrag. Die Niederschlagung eines Teils der angemeldeten Steuer durch das zuständige Finanzamt liege außerhalb ihres, der Klägerin, Verantwortungsbereichs und sei daher unbeachtlich.
Der Wortlaut des § 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach nur die gezahlte Steuer zu erstatten sei, stehe der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 und 60 EGV (jetzt: Art. 49 und 50 EG) entgegen.
Auf Gebietsansässige finde im Rahmen der Steueranrechnung im Nachgang zur Steuerfestsetzung aufgrund der Jahresveranlagung die Regelung des § 36 EStG Anwendung. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG werde „die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer” angerechnet. Diese Regelung finde über § 49 Abs. 1 KStG a.F. auch auf Körperschaften Anwendung. Erhoben und damit anrechenbar sei die Abzugsteuer bereits dann, wenn jede Steuer tatsächlich und vorschriftsgemäß durch den Schuldner der Vergütung einbehalten worden sei. Auf die Abführung der Steuer komme es dagegen nicht an (Seibel, in HHR, EStG, § 36 Rn. 20). Folglich sei z.B. bei einem Deutschen, der unter die Regelung des § 1 Abs. 3 EStG falle und bei dem auf der Grundlage der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 5 EStG der Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG vorzunehmen sei, im Rahmen der durchzuführenden Veranlagung eine Anrechnung der Abzugsteuer bereits dann vorzunehmen, wenn sie durch den inländischen Vergütungsschuldner in Abzug gebracht worden sei. Das gleiche gelte für Gebietsansässige, die anderen Formen der Steuererhebung durch Steuerabzug an der Quelle unterliegen. Es komme mithin in allen Fällen des Steuerabzugs nicht darauf an, dass jene Steuer auch tatsächlich abgeführt worden sei.
Auch im Lohnsteuerabzugsverfahren erfolge eine Steueranrechnung selbst dann, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden Steuerabzugsbeträge nicht an das Finanzamt abgeführt habe. Entsprechendes...