Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Besteuerungsbehörde eine einvernehmliche Regelung des Besteuerungsverfahrens abhängig macht von der (zeitgleichen oder zeitnahen) einvernehmlichen Erledigung des Strafverfahrens, die Strafverfolgungsbehörde wiederum eine einvernehmliche Erledigung des Strafverfahrens von einer einvernehmlichen Regelung des Besteuerungsverfahrens.
Normenkette
AO 1977 § 85
Tatbestand
Die Klägerin ist eine zur Firmengruppe des B. gehörende GmbH. Sie war u. a. in den Jahren 1980 bis 1984 Organgesellschaft des Einzelunternehmens ihres Gesellschafter-Geschäftsführers B. Dieses Einzelunternehmen mit der Firma B.-Betriebe B. bildete die Konzernspitze der Firmengruppe B. Mit Verwaltungsakt vom 1. April 1986 ordnete das für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt (FA K) eine Außenprüfung bei der Klägerin für den Prüfungszeitraum 1. Januar 1980 bis einschließlich 1. Januar 1985 an. Mit der Prüfung wurde die Großbetriebsprüfungsstelle der Oberfinanzdirektion K. (OFD) beauftragt. Die Prüfung begann am 22. April 1986 und wurde von dem Betriebsprüfer H. durchgeführt. Gleichzeitig wurde mit Außenprüfungen bei anderen zur Firmengruppe des B. gehörenden Unternehmen und bei B. und seiner Ehefrau begonnen. Im Verlauf der Prüfungen entstand bei dem Prüfer der Verdacht, die Eheleute hätten Steuerstraftaten begangen. Er informierte die Steuerfahndungsstelle Köln. Diese leitete am 25. Juni 1986 ein Strafverfahren gegen B. ein. Gegen die Ehefrau des B. sowie gegen den Prozeßbevollmächtigten Steuerberater A., der steuerlichen Berater und Bevollmächtigter der Eheleute B. und der zur Firmengruppe des B. gehörenden Unternehmen war, wurden ebenfalls Steuerstrafverfahren eingeleitet.
Am 9. September 1986 legte die Klägerin gegen die Prüfungsanordnung Beschwerde ein. Sie machte geltend, die Beauftragung der Großbetriebsprüfungsstelle der OFD (OFD-GroßBp) verstoße gegen den Grundsatz der funktionalen Zuständigkeit des FA K und der OFD.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1986 richtete Nordrhein-Westfalen Finanzämter für Großbetriebsprüfung ein, darunter auch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung Köln I (FA GroßBp). Es teilte durch Verwaltungsakt vom 14. Oktober 1986 der Klägerin mit, es werde anstelle der bisher prüfenden Stelle die laufende Betriebsprüfung fortführen. Auch gegen diesen Verwaltungsakt legte die Klägerin Beschwerde ein. Zur Begründung trug sie u.a. vor: Die durch die Prüfungshandlungen der OFD-GroßBp gewonnenen Erkenntnisse seien rechtswidrig erlangt. Auch für eine Fortführung der durch die OFD-GroßBp begonnene Prüfung durch das FA GroßBp fehle die Rechtsgrundlage. Der im Verwaltungsakt vom 1. Oktober 1986 benannte Prüfer des FA GroßBp war der Betriebsprüfer H., der zuvor bereits die Prüfung seitens der OFD-GroßBp durchgeführt hatte und mit der Errichtung des FA GroßBp von diesem als Betriebsprüfer übernommen worden war.
Am 22. Dezember 1986 teilte das FA GroßBp der Klägerin mit, die Ermittlungen bei der Firmengruppe B. würden im Strafverfahren gegen B. von dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung K. (FA Steufa) weitergeführt und abgeschlossen werden. Damit hätten sich die angefochtenen Prüfungsanordnungen erledigt. Zuständiger Prüfer beim FA Steufa war der Steuerfahndungsprüfer C. Zusätzlich in der Steuerfahndungssache tätig blieb der Betriebsprüfer H., der am 4.02.1987 von dem FA GroßBp zum FA Steufa abgeordnet wurde, „soweit abschließende Tätigkeiten in den Prüfungsfirmen … erforderlich sind.”
Durch Beschwerdeentscheidungen vom 2. April 1987 wies die OFD die Beschwerden der Klägerin gegen die Prüfungsanordnung vom 1. April 1986 und den Verwaltungsakt vom 14. Oktober 1986 (sog. ergänzende Prüfungsanordnung) als unbegründet zurück. Die Klägerin erhob daraufhin am 20. Mai 1987 beim Finanzgericht (FG) Köln Klage (6 K 1910/87). Während des Klageverfahrens – im Jahre 1989 – wurden die Ermittlungen gegen B. und seine Firmen abgeschlossen. Auf der Grundlage der jeweiligen Prüfungsberichte erließ das FA K gegen die geprüften Personen und Unternehmen im Jahre 1990 Steuerbescheide, so auch gegen die Klägerin. Gegen alle Steuerbescheide wurden Einsprüche eingelegt. Die Einsprüche wurden von der Rechtsbehelfsstelle des FA K bearbeitet. Zuständiger Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle war Oberregierungsrat D. Im Einspruchsverfahren der Eheleute B. und des Einzelunternehmens des B. wurden B. und seine Ehefrau durch ihren Strafverteidiger, den Rechtsanwalt S., vertreten. Bevollmächtigter in den übrigen Einspruchsverfahren war (und blieb) Steuerberater A.
In den gegen B. und A. anhängigen Strafverfahren ließ Staatsanwalt E. Anfang 1991 gegenüber den Strafverteidigern der beiden Beschuldigten die Bereitschaft erkennen, beide Strafverfahren nach § 153 a der Strafprozeßordnung (StPO) gegen Auflage von Geldzahlungen einzustellen. Voraussetzung hierfür sei allerdings, daß in jedem der beiden Straf...