Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszahlungen aus einer liechtensteinischen Familienstiftung
Leitsatz (redaktionell)
1) Auszahlungen aus einer liechtensteinischen Familienstiftung stellen keinen erbschaftsteuerpflichtigen Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, wenn weder ein Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG noch ein Vermögensvorteil aufgrund eines Vertrages des Erblassers zugunsten Dritter nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gegeben ist.
2) Das Vermögen einer nach liechtensteinischem Recht gegründeten Stiftung geht durch Erbanfall nicht auf die Begünstigten über, sofern die Rechtsfähigkeit der Stiftung nicht ausnahmsweise unter Durchbrechung des Trennungsprinzips wegen umfangreicher Herrschaftsbefugnisse und Missbrauchsabsicht des Stifters oder nach den Grundsätzen des ordre public außer Acht gelassen werden kann.
3) Auszahlungen aus einer liechtensteinischen Familienstiftung können zwar ggf. als Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG besteuert werden. Der Stichtag für die Besteuerung wäre dann aber nicht der Todestag des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), sondern der Zeitpunkt der jeweiligen Ausführung der Schenkung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 Hs. 2, § 9 Abs. 1 Nrn. 1-2; EGBGB Art 6; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie zwei Auszahlungen aus der liechtensteinischen B Stiftung an die Klägerin erbschaftsteuerlich zu behandeln sind.
Die Klägerin ist die Tochter des am ….06.2007 verstorbenen A, der von 1997 bis zu seinem Tod in C in der Schweiz lebte. Nach dem am 11.07.2007 amtlich in D/Schweiz veröffentlichten Testament waren die Ehefrau des Erblassers, Frau A1, wohnhaft ebenfalls in C in der Schweiz, und die beiden Töchter des Erblassers, die Klägerin, und ihre Schwester, Frau R, als Erben eingesetzt. Als Testamentsvollstrecker waren der inzwischen verstorbene Herr F aus K (Schweiz) und Herr G bestimmt. Die Testamentsvollstrecker teilten mit Schreiben vom 20.10.2009 den Erbinnen mit, dass der Nachlass verteilt sei und die Testamentsvollstreckung damit ende (s. Hilfsakte Steuerfahndung).
Wenige Monate vor dem Tod des Erblassers, am …01.2007, wurde die B Stiftung mit Sitz in M / Liechtenstein von der W als Familienstiftung errichtet (s. Stiftungsurkunde vom …01.2007). Als Stiftungsrat wurde zunächst Frau W1, wohnhaft in M / Liechtenstein bestellt und mit der gesetzlichen Repräsentanz W in M betraut. Unter gleichem Datum wurden die Statuten erlassen.
Am ….2007 erstellte der Stiftungsrat folgendes Reglement, in dem es auszugsweise heißt:
„Artikel 1
Erstbegünstigter der Stiftung ist
Herr A, geb. …,
derzeit wohnhaft in … C, …
Die Begünstigung des Erstbegünstigten bezieht sich in erster Linie auf die Erträge des Stiftungsvermögens. Allerdings kann der Stiftungsrat bei nichtvorhersehbaren Veränderungen der Lebensumstände des Erstbegünstigten auch Ausschüttungen zu Lasten der Substanz des Stiftungsvermögens vornehmen.
Artikel 2
Nach Ableben des Erstbegünstigten sind Zweitbegünstigte der Stiftung
- seine Ehefrau A1, …, derzeit wohnhaft in … C…
- deren Tochter T, ….
- und deren Schwester R, …
- die Tochter von b): …
- und deren Schwester: …
- der Sohn von c): …
- und dessen Schwester: …
Artikel 3
3.1 An sie entrichtet die Stiftung folgende Zahlungen:
An die Zweitbegünstigte sub a) zu Beginn des Kalenderquartals nach dem Tod des Erstbegünstigten einen Betrag von 50.000 €. Der gleiche Betrag ist ihr zu Beginn jeden folgenden Quartals auszurichten bis Ende 2009.
…
Die Zahlungen der regulären 50.000 € können, wenn nötig, auch die Substanz der Stiftung beanspruchen. …
An die Zweitbegünstigten zu b) und c):
- am fünften Jahrestag des Todes des Erstbegünstigten: je 100.000 €;
- danach am 1. Tag jedes folgenden Jahres: je 60.000 €;
- und bei Erreichen des 60. Altersjahres der Betreffenden: 100.000 €.
- An die Zweitbegünstigten zu d) bis g): bei Erreichen des 20. Alterjahres je 25.000 €. Und dann wieder bei Erreichen des 25., 30. und des 35. Altersjahres.
3.2. Alle unter lit b) und c) hiervor genannten Auszahlungen dürfen, wenn erforderlich, Teile des Stiftungsvermögens beanspruchen. Sie erfolgen aber nicht, falls das Stiftungsvermögen im betr. Zeitpunkt den Wert von 6 Mio. € unterschreitet. Solche Fälligkeiten werden dann eingefroren. Sie können später nachgeholt werden. – Verzichtet ein Berechtigter im Moment auf den Bezug, so werden ihm seine Rechte parkiert und gutgeschrieben. Der Stiftungsrat entscheidet, ob und wie hoch sie ihm verzinst werden.
3.3. Der Stiftungsrat kann im Rahmen des Ermessens vorzeitige Bezüge der Zweitbegünstigten zu b) bis g) erlauben, falls begründete Sonderumstände (z.B. für die Berufsausbildung) geltend gemacht werden und zudem unter der Bedingung, dass aufgrund der finanziellen Situation des Stiftungsvermögens die Ausrichtung der Zahlungen an die Zweitbegünstigte sub a) bis an deren Lebensende gesichert bleibt, und dass weiter, die Mittel genügen, um einen Vorbezug einer Schwester bzw. eines der 4 Ki...