Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.06.1999; Aktenzeichen II R 57/96)

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde zu 1/8 Miterbin nach der am 26. April 1993 verstorbenen Frau … der Ehefrau des am 02. Februar 1977 vorverstorbenen Onkels der Klägerin. Die Erblasserin hatte mit ihrem Mann am 05. November 1992 ein handschriftliches gemeinsames Testament (sogenanntes Berliner Testament) aufgesetzt. Es lautet:

„Gemeinsames Testament.

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein und sind uns darüber einig, daß unser gesamtes Vermögen nach dem Tode des Letztlebenden ausschließlich der Familie des Ehemanns zufallen soll.

Als Richtlinie für die Verteilung des Vermögens soll das anliegende als „Testament” bezeichnete Schriftstück vom 18. Dezember 1969 gelten, wobei Streichungen und Änderungen dem Letztlebenden vorbehalten bleiben.”

In der zuletzt in Bezug genommenen Aufstellung war die Klägerin als Erbin zu 1/8 vorgesehen, in Anrechnung auf ihr Erbe sollte sie bestimmte Grundbesitzanteile, als Vorausvermächtnis bewegliche Gegenstände (Pelze, Schmuck u. a.) erhalten.

Die Erblasserin machte in drei notariellen Testamenten von ihrem Umgestaltungsrecht Gebrauch. Im Testament vom 30. August 1985 erklärte sie dabei, sie wolle von einer Neufassung Abstand nehmen, da sie sich an die Gestaltung der gemeinsamen Verfügungen gebunden fühle. Im letzten Testament vom 05. September 1989, das den Erbanteil der Klägerin unverändert ließ, bestimmte sie zugunsten der Klägerin ein Vorausvermächtnis auf die Eigentumswohnung

Der vorliegende Streit geht um die der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legende Steuerklasse. Mit Bescheid vom 06. Juni 1994 und ablehnender Einspruchsentscheidung vom 04. Oktober 1994 setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer nach Steuerklasse IV, nicht nach der im Verhältnis Onkel/Nichte maßgeblichen (günstigeren) Steuerklasse III fest: § 15 Abs. 3 ErbStG könne der Klägerin nicht zugute kommen, da die Erblasserin zu Änderungen des ursprünglichen Berliner Testaments befugt, an dieses also nicht gebunden gewesen sei und von dieser Befugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht habe, so daß die Klägerin aufgrund ihres Willensentschlusses Erbin geworden und so zu besteuern sei.

Zur Begründung ihrer hiergegen am 07. November 1994 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Ihr komme nach § 15 Abs. 3 ErbStG die Steuerklasse III und der entsprechende Freibetrag zugute. Sie sei nicht aufgrund eines freien Willensentschlusses der Erblasserin Erbin geworden. Diese sei vielmehr im Grundsatz an die gemeinsame Verfügung gebunden gewesen und habe sich auch gebunden gefühlt, so daß sie auch keine wesentlichen Änderungen daran vorgenommen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Erbschaftsteuer auf DM …,– herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist nach § 15 Abs. 3 ErbStG aufgrund ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Ehemann der Erblasserin, … ihrem Onkel, nach der Steuerklasse III zu besteuern.

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG sind, im Falle des § 2269 BGB und soweit der überlebende Ehegatte an die Verfügung gebunden ist, die mit dem vorverstorbenen Ehegatten näher verwandten Erben und Vermächtnisnehmer als seine Erben anzusehen, soweit sein Vermögen beim Tode des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt:

Unstreitig hatte die Erblasserin mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein sogenanntes Berliner Testament nach § 2269 BGB geschlossen, unstreitig stammte das gesamte Vermögen der Eheleute, insbesondere auch soweit es beim Tode der Erblasserin noch vorhanden war, von seiten des Ehemanns.

Die Erblasserin war auch in dem für den vorliegenden Fall entscheidenden Punkt an die gemeinsame Verfügung (Berliner Testament) gebunden:

Zwar räumte das gemeinsame Testament dem Letztlebenden, vorliegend also der Erblasserin, das Recht zu Änderungen und. Streichungen in der dem Testament anliegenden „Richtlinie für die Verteilung des Vermögens” ein, so daß sie hinsichtlich der Verteilung im einzelnen nicht strikt an die gemeinsame Verfügung gebunden war. Strikt gebunden war sie jedoch an die Regelung des gemeinsamen Testaments, die eindeutig festschreibt, daß das Vermögen – unabhängig von der Verteilung im einzelnen – jedenfalls ausschließlich der Familie des Ehemanns zufallen solle. Diese Bindung ist die für die Anwendung von § 15 Abs. 3 ErbStG entscheidende. Denn sie legt fest, daß, wie immer die Verteilung im einzelnen ausfällt, für die Erbenstellung des Bedachten jedenfalls deren Verwandtschaftsbeziehung zum Ehemann der Erblasserin maßgeblich ist. Wenn aber die Erblasserin in diesem Punkte (Verwandtschaft der Erben zu ihrem Ehemann) gebunden war, so entspricht es § 15 Abs. 3 ErbStG, dies Verwandtschaftsverhältnis auch der Erbschaftbesteuerung zugrunde zu legen. Die Klägerin verdankt ihre Stellung, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, nicht einer freien Willensentschließung der Erblasserin, sondern letztendlic...

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